„Früher war es selbstverständlich, dass nicht alle alles haben und konsumieren können; der Mangel machte uns kreativ. Flüge, die 35 Euro kosten, zeigen doch, dass wir uns verrannt – äh – verflogen haben. Wirkliches Reisen sowie auch Kaviar und Kokain gab es nur für eine ehemalige High Society, für die anderen eben nicht.“ (Wolfgang Joop 2019) Verzicht ist in aller Munde, wir müssen auf dies und das in ‚unserem‘ Alltag Rücksicht nehmen, diese Diskussion, hier von Joop vorzüglich zusammengefasst hat ein Geschmäckle. Joop zeigt auf, dass der Konsum in seiner klimaschädlichen Art und Weise von immer mehr Bevölkerungsgruppen praktiziert wird. War ein kosmopolitischer Lifestyle früher einer kleinen Elite vorbehalten, (ist der Billigflieger einmal im Jahr nach Mallorca für die meisten Erschwinglich geworden) kann heute der letzte Proll nach Malle. An dieser Entwicklung setzt die ‚Kritik‘ vieler liberaler Bewegungen wie Fridays for Future an, in dem sie in Folge dessen auf den Verzicht des Individuums auf Flugreisen oder SUVs pochen. Der Zustand der Welt ist dann nur noch auf das unmoralische Verhalten ihrer Bewohner*innen zurückzuführen. Gesellschaftliche Machtverhältnisse und Dynamiken, welche sich aus der Konkurrenz am Markt ergeben, fallen hinter die ‚Allmacht‘ der Entscheidung des Einzelnen zurück.
Im aktuellen Diskurs lässt sich dies insbesondere an den Protesten gegen Siemens und deren Beteiligung am Bau einer gigantischen Kohlemine in Australien aufzeigen, wo noch immer Millionen Hektar Land den Flammen zum Opfer fallen. Der Kohleindustrie wird berechtigter Weise eine Mitschuld an den dortigen Bränden und dem Klimawandel generell zugeschrieben. Dennoch wird das Projekt durch den indischen Kohlekonzern Adani vorangetrieben. Mit der Kohle aus diesem Megaprojekt soll Strom für den Süd-Ost-Asiatischen Raum hergestellt werden, darunter vor allem auch Indien. Dort leben zur Zeit etwa 350 Mio. Menschen ohne Strom, was in etwa ein Viertel von Indiens Bevölkerung ausmacht. Nun könnte man natürlich wie Joop argumentieren und sagen, Strom ist nicht für jede*n zu haben. Was unter den jetzigen Bedingungen zu einer Zuspitzung des Klimawandels führen würde. Derartiger Sozialchauvinismus kann jedoch nicht Ausgangspunkt eines emanzipatorischen Anspruchs sein. Weiterlesen