Am gestrigen „Volkstrauertag“ protestierten ca. 30 Antifaschist_innen gegen das geschichtsrevisionistische Heldengedenken in Hürtgen. Dort wird jedes Jahr von unterschiedlichen politischen Parteien, Vereinen, Verbänden, der Bundeswehr und anderen zivil gesellschaftlichen Trägern eine Täter-Opfer-Umkehr praktiziert, indem sie den gefallenen Wehrmachtssoldaten gedenken. Unweit von dieser Stelle liegt der Ort Arnoldsweiler. Dort wurde eine Kriegsgefangenenlager von den Nazis errichtet. Im Anschluss an die Proteste gegen den „Volkstrauertag“ in Hürtgen gedachten wir in Arnoldsweiler den wahren Opfern des NS und legten einen Kranz nieder.
Hier unser Redebeitrag, den wir vor Ort hielten:
Ein anderes Gedenken ist möglich!
Zwanzig Kilometer von dem geschichtsrevisionistischen Gedenken an die “Windhund Division” entfernt befand sich an dieser Stelle, an welcher wir hier gerade stehen, vor 70 Jahren das “Strafgefangenenlager” Arnoldsweiler. In der NS-Terminologie wird jenes als“Stalag VI H” bezeichnet und war eines der grausamsten Strafgefangenenlager im Rheinland. Dort waren Kriegsgefangene aus Westeuropa, Südosteuropa, Polen und Russland interniert. Darüber hinaus wurden sowjetische Zwangsarbeiter_innen in das Lager verschleppt. Mit ihnen, die von den Deutschen als “slawische Untermenschen” bezeichnet wurden, wurde besonders schlecht umgegangen. Sie bekamen nicht die Verpflegungsätze, die eigentlich zugeschrieben waren, sondern nur Tierfutter, wurden geschlagen und misshandelt. Wenn es nach den Nazis gegangen wäre, dann hätte keiner von ihnen die Lagerinhaftierung überlebt. Die Ansicht der Deutschen zum so genannten “Russeneinsatz” war, dass wenn man diese schon einsetzen musste, man sie wenigstens besonders schlecht behandeln sollte. Die Nazis sonderten sie nicht nur von der deutschen Bevölkerung, sondern auch von den anderen Gefangenen ab. Darüber hinaus erhielten sie auch ein besonderes Stigma, das aus einem hochstehenden Rechteck blau-weiß umrandet auf blauen Grund mit der Inschrift “Ost” bestand. Der abgesonderte Bereich durfte nur in Begleitung des Wachpersonals verlassen werden. Wenn sie versuchten zu fliehen, war die Anweisung auf sie sofort mit Treffabsicht zu schießen.
Das Stalag VI ist nur ein Lager im Lagersystem des Rheinlands gewesen. Viele deutsche Unternehmen profitierten von der Arbeitskraft der Inhaftierten. Die Tausenden Gefangenen wurden auf Firmen im ganzen Rheinland verteilt. Insgesamt war zu Hochzeiten jeder dritte Arbeitsplatz im Deutschen Reich von Zwangsarbeiter_innen besetzt. Konkret wurden jene im Dürener Raum bei der Papierfabrik bei Koslar, in der Kölner Firma Klöckner-Humboldt-Deutz, bei Carl Canzler, Peilnd &Putzler, Zimmermann & Jansen, der Schoerller’sche Teppich- und Pappierfabrik und den Dürener Metallwerken gezwungen zu arbeiten. Die sowjetischen Zwangsarbeiter_innen in der Region Düren und Jülich wurden auch häufig zum Wiederaufbau der durch die Alliierten zerstörten Infrastruktur verwandt und quasi als Schutzschild benutzt. Das traurige Motto in diesem Lager war: “Vernichtung durch Arbeit”. Ohne die Arbeitskraft der Zwangsarbeiter_innen wäre die deutsche Wirtschaft schon zu Beginn des Krieges zusammengebrochen. Es war auch geplant diese nach Kriegsende weiter zur Arbeit zu nötigen.
Wir wollen am heutigen Volkstrauertag dem revisionistischen Gedenken in Hürtgenwald eines an die Opfer der NS Zwangsarbeit gegenüberstellen. Wir wollen heute den schätzungweise 9200 hier Inhaftierten Gedenken, von denen mindestens 1600 durch Erschöpfung und Krankheiten ermordet wurden.
Aus diesem Grund möchten wir an dieser Stelle zu einer Schweigeminute einladen und werden im Anschluss daran einen Kranz zum Gedenken an die Opfer niederlegen.
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