21.12 | 18:30 Uhr | AZ Aachen
Die gegenwärtig abebbenden ‚Corona-Demonstrationen‘ werden von Verschwörungsnarrativen sekundiert, die die Konturen ihrer medial vermittelten Bilder immens prägen. Laut dem bevölkerungsrepräsentativen Covid-19-Snapshot-Monitoring bringt ein Viertel der Befragten die Corona-Pandemie in einen Zusammenhang mit Verschwörungen. Doch auch außerhalb des pandemischen Kontextes sind Verschwörungsnarrative in Deutschland verbreitet. Ca. 22,9 Prozent der Deutschen glauben, dass geheime Organisationen einen großen Einfluss auf die Gesellschaft ausüben, ca. 20,5 Prozent vermuten, dass Politiker*innen nur Marionetten von verborgenen Mächten seien. Beunruhigender werden diese zunächst zwar absurd, vielleicht aber nur harmlos anmutenden Weltdeutungen, wird berücksichtigt, dass sie als „Einstiegsdroge“ für rechtsextremes Gedankengut begriffen werden und eine Vernetzung verschiedener Positionen des politischen Spektrums ermöglichen.
Der Vortrag geht dem Zusammenhang von Verschwörungsnarrativen und Krisen- und Kontrollverlusterfahrungen nach. Dabei werden unter Berücksichtigung (sozial-)psychologischer und gesellschaftstheoretischer Debatten Facetten der gegenwärtigen Gesellschaft rekonstruiert, die als Bedingungen sowohl der Dominanz des narzisstischen Sozialcharakters als auch seiner Krisenanfälligkeit gelten können. Die aus der Krise des Narzissmus resultierende psychische Disposition wird mittels des psychoanalytischen Konzepts der Mentalisierung beleuchtet. Einsichtig wird auf diesem Wege, dass der Rückgriff auf Verschwörungsnarrative aus Krisen- und Kontrollverlusterfahrungen resultiert, die psychische Regressionsprozesse auszulösen vermögen. In politiktheoretischer Perspektive republikanischer Prägung wird abschließend diskutiert, inwiefern die im politischen Handeln gründende Erfahrung von Freiheit nicht allein diesen Regressionsprozessen, sondern darüber hinaus dem narzisstischen Sozialcharakter diametral entgegensteht. Daher, so die zu diskutierende Überlegung, bietet gerade die politische Theorie Arendts erste, zugleich überzeugende Antworten auf die Herausforderungen der Gegenwart