In der Stadtplanung der Nachkriegszeit gab es für viele Städte den Plan, die Innenstadt als rein kommerzielles Zentrum mit einer guten Verkehrsanbindung in die Randbezirke zu gestalten. Leben sollten die Menschen auf der „grünen Wiese“ um die Stadt herum. Zum Arbeiten und zum Einkaufen würden die Menschen dann immer erst in die Stadt fahren müssen. Die Stadt wurde so, ganz im Interesse der Kapitalgeber_innen zu einem Raum für das Konsumieren in einer vorgegebenen Atmosphäre, und nicht ein Raum, den die Menschen mitgestalten können. Dafür sollten in vielen Städten ganze Viertel abgerissen werden. Oft wurden Argumente wie soziale Missstände und unzumutbare Zustände aufgeführt, um die dort lebenden Menschen zu vertreiben. Dagegen regte sich Widerstand. Es wurden Initiativen gegründet und die ersten Häuser wurden besetzt. Durch diese Kämpfe konnten Viertel erhalten werden, die im Nachhinein zu beliebten Anlaufpunkten geworden sind. Ein Beispiel für diese Entwicklung ist Frankfurt-Westend. In diesen Vierteln war es möglich, unabhängige Kultur zu leben und sie wurden bevölkert von Student_innen und Menschen aller Couleur. Es entstanden Räume, die für ihre Besonderheiten sogar berühmt geworden sind, wie das Schanzenviertel in Hamburg.
Zwar hat Aachen kein Viertel mit einer ähnlichen Geschichte, aber, wenn man an ein buntes, alternatives Viertel denkt, ist klar, dass man an das Frankenberger Viertel denkt, mit dem Frankenberger Park als Treffpunkt. An jeder Ecke kann man Streetart und Graffiti entdecken, es gibt im Park selbstorganisierte Sportangebote wie Yoga, ein Anwohner mäht aus Eigenantrieb den Rasen, und wenn man sich dort mit Freund_innen trifft, kann man sich sicher sein, auf eine entspannte Atmosphäre zu treffen. Es gibt gutes Eis, den Musikbunker, ein paar nette Kneipen und den einen oder anderen Grill. Kurz, alles was jemand braucht, um es sich gut gehen zu lassen. Wegen dieser einfach zugänglichen Vielfalt wird das Viertel von sehr vielen Menschen geschätzt und aufgesucht, um die Freizeit zu verbringen. Obwohl das ursprüngliche Konzept das Frankenberger Viertel für die „aufsteigende Mittelschicht“ vorsah, leben mittlerweile Menschen aller Schichten dort und es lassen sich immer noch Wohnungen finden, die zum Beispiel mit einem studentischen Budget bezahlbar sind. Natürlich bedeutet das, daß immer was los ist und das Viertel keine ruhige Wohngegend ist, sondern ein pluralistisches Zentrum für urbanes Leben. Im Moment gilt das Frankenberger Viertel genau deswegen als das angesagteste Viertel in Aachen.
Betrachtet man die Entwicklungen in Stadtvierteln anderer Städte, die von der Atmosphäre her mit dem Frankenberger Viertel vergleichbar sind, stößt man schnell auf Berichte über Gentrifizierung und Verdrängung der ursprünglichen Bevölkerung, der Bevölkerung, die diese Viertel erst zu dem gemacht haben, was Menschen von außerhalb fasziniert. Sobald ein Gefühl von Subkultur aufkommt, beginnt der Zuzug von Menschen, die daraus Kapital schlagen wollen. Investoren kaufen Häuser oder Wohnungen, renovieren sie und vermieten sie dann so teuer weiter, daß die ursprünglichen Bewohner_innen sich die Miete nicht mehr leisten können, oder sie machen Ferienwohnungen daraus. Gastronomie und Geschäfte höherer Preisklassen sehen ihre Chance und eröffnen auch in dieser Nachbarschaft. Bis letztendlich die ursprünglichen Bewohner_innen sich das Leben dort nicht mehr leisten können und wegziehen müssen. Menschen, die nicht in dieses neue Bild passen, wie Obdachlose oder Drogensüchtige, werden oftmals mit Hilfe der Ordnungskräfte vertrieben. Über eine nachhaltige Lösung für diese Menschen macht sich dabei niemand Gedanken. Es passiert also Verdrängung, Segregation und auch ein kultureller Wandel hin zu einem kommerziellen Anlaufpunkt mit alternativem, hippem Anstrich. Berühmte Beispiele für diesen Prozess sind das schon genannte Schanzenviertel in Hamburg oder Kreuzberg in Berlin.
Auch im Frankenberger Viertel gibt es Entwicklungen, die man getrost vor diesem Hintergrund diskutieren kann. Allein die letzten Bauprojekte zeigen deutlich, welche Vorstellung für die Entwicklung des Frankenberger Viertels von Investor_innen und Lokalpolitiker_innen gehegt wird. Bestes Beispiel: Das Kronprinzenquartier, das in direkter Nähe zum Bahnhof Rohe Erde gebaut wird. Ein Gebäudekomplex, der dem Architekturstil des umliegenden Viertels nachempfunden ist und luxuriöses Wohnen verspricht. Allerdings kostet eine Drei-Zimmer-Wohnung schon über 1100 Euro und von mehr als 230 Wohnungen sind nur 35 Sozialwohnungen. Das Projekt wurde also ganz klar für Menschen mit gut gefülltem Portemonnaie realisiert, nicht für Student_innen oder Arbeitnehmer_innen mit einem durchschnittlichen Gehalt. Ein ähnliches Beispiel ist der Wohnkomplex Schwedenpark an der Brabantstrasse. Dort wurden 64 Luxus-Wohnungen geschaffen wobei die Miete zwischen 750 Euro und 1850 Euro kalt liegt. Für den Wohnraum musste ein lange unberührtes Stadtbiotop weichen, in dem sogar seltene Pflanzen und Tiere Platz fanden. Wenn sich diese Entwicklung fortsetzt, würde das bedeuten, dass immer mehr bezahlbarer Wohnraum durch Luxusquartiere ersetzt wird. Natürlich geht damit einher, dass auch immer mehr wohlhabende Menschen zuziehen und die Atmosphäre im Viertel prägen. Schon jetzt sieht man die Anfänge dieser Veränderung in Form von immer mehr teuren Restaurants und auf hip gestaltete Geschäfte, die nicht mit einem kleinen Einkommen zu bezahlen sind. Daraus kann man schließen, dass auch die Ansprüche der Bewohner_innen sich verändern. Weg von einem Mitgestalten des Viertels hin zu reinem Konsum. Diese Menschen profitieren also von dem Ort und der Atmosphäre die von anderen erst zu etwas Besonderem gemacht worden ist. Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Interessen ins Frankenberger Viertel kommen und diese bisher nebeneinander ausleben konnten. Sei es feiern, mit dem Kind auf dem Spielplatz spielen oder Sport. Das Viertel ist also zu einer Gegend geworden, die viel mehr als nur Wohnraum ist, in dem man sich privat ausleben kann. Wenn nun Menschen mit der Absicht, ruhigen Wohnraum zu finden, zuziehen ist nur natürlich, dass das schnell zu Konflikten führt.
So haben sich Anwohner_innen Mitte letzten Jahres in einem offenen Brief an den Oberbürgermeister gewandt. Darin beschwerten sie sich über unzumutbare Zustände im Frankenberger Park. Überall läge Müll herum, Jugendliche seien zu laut und es herrsche Drogenhandel und Kriminalität. Es sei eine „absolute Katastrophe“. Für jemanden, der selber Zeit im Frankenberger Park verbringt, sind diese Anschuldigungen nur schwer nachzuvollziehen. Trotzdem griff die Lokalpolitik die Beschwerde direkt auf und antwortete mit verstärkter Polizeipräsenz und Kontrollen im Park. Diese Maßnahme finden wir absolut unangebracht! Wer will sich schon in einen Park setzen, dabei immer im Hinterkopf, jeden Moment kontrolliert werden zu können? Diese Maßnahme reiht sich nur ein in die vorher beschriebene Entwicklung. Menschen die in das bürgerliche Bild eines Wohnviertels nicht passen, werden mit Repression überzogen und auf lange Sicht vertrieben.
Aber so muss es nicht kommen. Anstatt Probleme von der Polizei regeln zu lassen, lasst es uns gemeinsam angehen. Wieso nicht miteinander ins Gespräch kommen? Wieso nicht etwas tun für eine Atmosphäre in der sich alle wohlfühlen? Natürlich fordert diese Vorstellung von allen Kompromissbereitschaft aber wäre es das nicht wert? Anstatt sich nur, weil man es bezahlen kann, eine Wohnung im Franken zu gönnen und somit die Kommerzialisierung und Aufwertung des Viertels voranzutreiben. Aber ein Viertel oder ein Park kann nicht nur ein Raum sein für die, die es sich leisten können. In einer Welt, in der wir immer individualisierter leben, gibt ein Viertel doch eine gute Gelegenheit, Gemeinschaften aufzubauen und zusammen zu überlegen, wie man die Umgebung gestalten oder sich einbringen kann.
Für die Erhaltung von Orten, an denen Entfaltung und ein friedliches Miteinander von Menschen aus allen Schichten möglich ist! Viele von solchen Orten sind der Gentrifizierung zum Opfer gefallen. Lasst uns uns zusammentun und verhindern, dass das auch im Frankenberger Viertel passiert!
Gemeinsam und solidarisch für Räume in denen alternative Ideen zur Wirklichkeit werden!