Die Wahlen sind vorbei. Damit endet auch unser erster Versuch den Wahlkampf mit eigenen Inhalten zu begleiten. Dafür bauten wir an fünf Samstagen eigene Stände mit dem Motto „Uns können Sie nicht wählen!“ auf. Im Gegensatz zu den Parteien wollten wir nicht auf uns selbst aufmerksam machen, sondern eine Diskussion anregen. Wir wollten dazu anregen sich selber politisch zu betätigen und dafür zu kämpfen, dass die eigene Stimme gehört wird, dafür sich in sozialen Kämpfen zu engagieren, Meinungen zu bilden, für alle zugängliche Kultur zu schaffen und dass ein selbstbestimmtes politisches Leben unabhängig von turnusmäßig abgehaltenen Stimmabgaben möglich ist. Dabei wurde unterschiedliches Material ausgelegt, das einen Einblick in möglichst viele verschiedene alternative Gedankenansätze in Bezug auf unser Zusammenleben und das System, in dem wir leben zeigt. Außerdem wurden eigene Flyer erstellt, die Positionen der AfD im Wahlkampf aufdecken und kritisch hinterfragen. Wie und auf welche Themen konkret eingegangen wurde, könnt ihr auf unserer Homepage beispielsweise hier nachlesen: „Uns können sie nicht wählen“.
Zwei Stände bauten wir vor dem Elisenbrunnen in der Aachener Innenstadt auf, um dort mit möglichst vielen Menschen ins Gespräch zu kommen. Obwohl nur wenige Menschen sich die Zeit nahmen das Infomaterial tiefergehend zu betrachten und zu diskutieren, konnten viele Flyer verteilt werden. Beim zweiten Stand in der Aachener Innenstadt hatte die AfD einen Wahlstand vor dem uns zu diesem Zeitpunkt nahe gelegenem Stadttheater aufgebaut. Dabei versuchten die üblichen Gesichter ihr Programm loszuwerden. Parallel zu unserem eigenen Stand verteilten wir zusätzlich Flyer an Passant_innen neben dem AfD-Wahlstand. Über eine Stunde konnte so der Wahlkampf der AfD gestört werden. Bis sie ihren Stand an diesem Tag abbauten. Bis dahin konnten zahlreiche Flyer verteilt werden und es gab viel positives Feedback von Passant_innen. Einziger unschöner Moment: Eine Vertreterin der AfD „interessierte“ sich für unsere Inhalte. Ihre Kritik beschränkte sich allerdings, beispielsweise bei dem Thema Gleichberechtigung der Geschlechter, darauf, ob wir es zulassen wollen, dass Kinder zusehen müssten, wie sich Homosexuelle mit Dildos befriedigen.
Bei einem von der AfD angemeldeten Wahlstand am Neumarkt, im Frankenberger Viertel, wollten wir auch dort über die diskriminierenden Inhalte der AfD aufklären. Wir bauten dazu zwischen den Ständen des Wochenmarkts unseren Tisch auf. Jedoch bis zum Ende des Markts erschienen keine Vertreter_innen der AfD. Wahrscheinlich unter anderem, weil im als linksalternativ bekanntes Frankenberger Viertel mit Protest zu rechnen war. Die unverhofft gewonnene Zeit konnte genutzt werden, um mit den Bewohner_innen des Viertels ins Gespräch zu kommen, die zum Teil ebenfalls von dem geplanten Stand der AfD bereits wussten und eigentlich extra zum Markt gekommen waren, um ihren Unmut darüber kund zu tun.
Ein besonderes Anliegen bei dieser auch für uns neuen Form des „Straßenwahlkampfes“ war, nicht nur die shopping-lustigen Menschen der Innenstadt anzusprechen, sondern gezielt auch Menschen, die von der Gesellschaft an den Rand gedrängt werden. Deswegen entschlossen wir uns einen Stand vor dem Bahnhof Rothe-Erde durchzuführen. Dieser liegt in direkter Nachbarschaft zum migrantisch geprägten Aachener Ostviertel. Bei vielen Aachner_innen gilt dieses Viertel noch immer als Kriminalitätsbrennpunkt und die Bewohner_innen müssen ständig mit (auch rassistisch motivierten) Kontrollen der Polizei rechnen. Es ergaben sich mehrere gute Gespräche und es konnten erneut mehrere hundert Flyer verteilt werden.
Ein weiterer Stadtteil, in dem viele Menschen in prekären Verhältnissen leben, ist der sich kurz vor der belgischen Grenze befindende Preuswald. Der größte Teil dieses Viertels besteht aus sanierungsbedürftigten Wohnblocks, die mittlerweile von der „Gewoge“ verwaltet werden. Ein vorhandenes Schwimmbad wurde geschlossen, einen Supermarkt sucht man vergebens und es gibt nur einen einzigen Bus, der Richtung Innenstadt fährt. Beim dortigen Stand inklusive Dosenwerfen, zur Freude einiger Kinder, ergaben sich trotz des geringen Personenverkehrs mit älteren Bewohnern mit die interessanten Gespräche unserer Tour. Neben tatsächlichem Interesse an unseren regel und unregelmäßigen Veranstaltungen wurde auch von den Plänen der „Gewoge“ zur Aufwertung von Preuswald inklusive des Abrisses eines Wohnblocks berichtet. Pläne wie es für die in dem Wohnblock lebenden Menschen weitergeht, sind diesen nach Aussagen eines Bewohners jedoch nicht bekannt. Wieder zeigt sich, das Menschen aus ihren Wohnungen vertrieben werden, weil Investor_innen Möglichkeiten sehen mehr Profit zu erwirtschaften. Umso wichtiger ist es, sich weiterhin solidarisch zu zeigen und Kontakte zu den Bewohner_innen zu knüpfen, um gemeinsam zu überlegen, wie sich erfolgreicher Widerstand organisieren lässt.
Abschließend ziehen wir ein überwiegend positives Fazit aus unserer Aktion. Es gab gute Diskussionen und es konnten viel Infomaterial verteilt werden. Unserer Erwartung nach hätte das Motto „Uns können sie nicht wählen!“ mehr Menschen zu kontroverseren Diskussionen motivieren können. Ebenfalls hatten wir mehr Kritik bzw. Konfrontation erwartet. Uns kam es so vor als würden die meisten lieber für sich einen Flyer lesen, als eine Diskussion zu führen. Trotzdem sehen wir die Aktion nur als einen Anfang unsere Ideen sichtbar zu machen, alternative Vorstellungen in den öffentlichen Diskurs einzubringen und ohne die üblichen Hemmschwellen direkt ansprechbar zu sein. Auch in Zukunft wollen wir zu Anlässen wie der kommenden Bundestagswahl Stände organisieren. Alle die unsere Ideen teilen, sich mit diesen beschäftigen oder diese diskutieren wollen, laden wir zu unserer monatlichen Schwarz-Roten Kneipe im AZ Aachen sowie natürlich zu allen anderen Veranstaltungen ein.