Redebeitrag- „Gemeinsam kämpfen für ein gutes Leben für Alle!“: Kein Schlussstrich – NSU-Komplex aufklären

Vor bald sechs Jahren hat sich die Kerngruppe des NSU selbst enttarnt. Nach einem Banküberfall auf eine Sparkasse in Eisenach werden Böhnhardt und Mundlos gesehen, wie sie ihre Fluchtfahrräder in einem Wohnmobil verstauen. Als die Polizei anrückt um das Wohnmobil, welches mittlerweile in einem Wohngebiet abgestellt wurde, zu untersuchen, hören die Beamten Schüsse und bemerken aufsteigenden Rauch. Wenig später werden die Leichen der beiden Rechtsterroristen geborgen. Im Fahrzeug findet sich auch eine Ceska, die sich als Mordwaffe in 9 Fällen entpuppt und die Dienstwaffe von Polizistin Kiesewetter, die 2007 in Heilbronn ermordet worden war. Einige Stunden später sprengt Beate Zschäpe die gemeinsame Wohnung des Trios in Zwickau und irrt noch wenige Tage durch die Republik, um sich schließlich selbst zu stellen.

Nach über 4 Jahren Prozess, 2 Bundestags-Untersuchungsausschüssen, 11 Untersuchungsausschüssen der Länderparlamente und zehntausenden (zum Teil geschredderten) Seiten Ermittlungs- und Prozessakten muss allen Beobachter*innen aufgefallen sein, dass es sich beim NSU keineswegs um ein isoliertes Terror-Trio handelt, sondern ein breites Netzwerk aus Neonazis, V-Leuten und dem Verfassungsschutz, welches grundlegende Teile der Infrastruktur der Mordserie bereitgestellt hat.
Gleichzeitig sabotierten oder behinderten anderweitig staatliche Institutionen tatkräftig die Aufklärungsarbeit. Durch Falschaussagen, nicht erteilte Aussagegenehmigungen und Aktenvernichtung blockierten sie die Arbeit zuständiger Strafverfolgungsbehörden und Untersuchungsausschüsse. Beweise von Tatorten und Verdächtigen werden vernichtet. Auch die Aufklärung der Schredderaktionen selbst wird verhindert. Der verantwortliche Mitarbeiter des Verfassungsschutzes muss sich nicht vor Gericht verantworten, die Staatsanwaltschaft Köln sieht für Ermittlungen keinen Anlass.

Die Bundesanwaltschaft als Hauptermittlerin und Anklägerin im NSU-Prozess scheint ebenfalls kein gesteigertes Interesse an der Aufdeckung des neonazistischen Netzwerks und der staatlichen Verstrickungen zu haben. Entgegen der Erkenntnisse aus den Untersuchungsausschüssen halten sie an ihrer Drei-Täter-Theorie fest, wie sich aktuell nochmal im Plädoyer der Staatsanwaltschaft zeigt. Vielmehr versuchen sie aktiv die Einwände der Nebenkläger*innen und deren Anwälte gegen die Trio-These zu diffamieren. Für die Bundesanwaltschaft sind diese Kritiker*innen bloß (zitat) „Fliegengesumme im Ohr“ und „Irrlichter“.
Doch schon der zweite NSU-Untersuchungsausschuss des Bundestages kommt in seinem Abschlussbericht zu der Erkenntnis, dass auch nach der Anklageerhebung eine breitere Ermittlungskonzeption möglich und auch geboten gewesen wäre.
Der Vorsitzende des Ausschusses Clemens Binninger von der CDU ist davon überzeugt, dass es weitere Mittäter*innen gegeben haben muss.
Nun, da der Urteilsspruch und mit ihm das Ende des Prozesses in den nächsten Wochen zu erwarten ist, scheinen Staat und Gesellschaft mit dem NSU-Komplex abschließen zu wollen.
Das Thema kann an dieser Stelle aber nicht zu Ende sein, solange das umfassende Netzwerk nicht aufgedeckt ist und die staatliche Unterstützung des rechten Terrors durch V-Leute und Aussteigerprogramme unbehelligt weiterläuft.
Daher schließen wir uns den Forderungen und dem Aufruf der Kampagne „Kein Schlussstrich“ des Bündnis gegen Naziterror und Rassismus an.
Am Tag der Urteilsverkündung wollen wir mit euch auf die Straße gehen. Denn für uns bedeutet das Ende des Prozesses nicht das Ende der Auseinandersetzung mit dem NSU und der Gesellschaft, die ihn möglich machte und macht:

Wir fordern:

Kein Schlussstrich! – NSU-Komplex aufklären und auflösen!

Verfassungsschutz auflösen – V- Leute abschaffen!

Dem aktuellen rassistischen Terror gegen Flüchtlinge und MigrantInnen entgegentreten!

Den Rassismus in Behörden und Gesellschaft bekämpfen!