Die Türkei unter Erdogan und der AKP befindet sich in einem beispiellosen, ultra-nationalistischen neo-osmanischen Taumel. Seit dem 19. Januar 2018 ist nun der türkische Angriffskrieg mit dem perfiden Titel der „Operation Olivenzweig“ auf das kurdisch-syrische Gebiet Afrin im Gange. Mit tatkräftiger Unterstützung islamistischer Milizen und der faschistoiden Organisation der „Grauen Wölfe“ versucht die türkische Armee Erdogans Vorhaben, die Zitat – „Terroristen der YPG zu vernichten“, in die Tat umzusetzen. Dass es sich bei den YPG/YPJ Einheiten nicht nur gerade um jene militärischen Kräfte handelt, die am erfolgreichsten die islamistischen Mörderbanden des Islamischen Staats „Daesh“ bekämpften, sondern auch in den kurdischen Gebieten Afrîn, Kobanê und Cizîrê im Chaos des syrischen Bürgerkriegs zehntausenden von ZivilistInnen und Flüchtlingen verhältnismäßig sichere Rückzugsorte frei von Terror und Bedrohung ermöglichen, interessiert offensichtlich weder die Bundesregierung noch die Vereinten Nationen. Bis heute ist keine Verurteilung dieses menschenverachtenden Angriffskrieges auf ZivilistInnen und YPG/YPJ Einheiten durch die deutsche Bundesregierung erfolgt. Doch selbst nach internationalem Völkerrecht, dessen Subjekt lediglich an fragwürdige nationalstaatliche Kategorien gebunden ist, handelt es sich um einen illegalen militärischen Angriff – und sollte sich dieser im Sinne Erdogans und seiner Schergen als erfolgreich erweisen – um einen ethnischen Genozid an KurdInnen und anderen Minderheiten, die sich gegen Islamismus, Diktatur und Unterdrückung von allen Seiten zur Wehr setzen müssen.
An diesem Ort namens Rojava wird stattdessen gegen alle Widrigkeiten des Krieges und der Zerstörung mit dem Konzept eines demokratischen Konförderalismus versucht, basisdemokratisch und in Selbstorganisation politische und wirtschaftliche Entscheidungen an den Bedürfnissen der Menschen zu orientieren und nicht an denen des Kapitals oder eines Unterdrücker-Regimes.
In diesem Konflikt steht hier nicht etwa nur eine ultra-nationalistische Türkei auf dem Weg zur islamistischen Diktatur samt ihrer Streitkräfte und jihadistischer Banden einer unterdrückten Minderheit gegenüber.
Es ist eine Konfrontation zweier gesellschaftlicher Ordnungen, die unterschiedlicher kaum sein könnten. Eine Konfrontation zwischen dem Faschismus einerseits und einer offenen Gemeinschaft andererseits. Eine Gemeinschaft, in der Freiheit, Rechte und Bedürfnisse des Individuums, der Frauen und aller religiösen und ethnischen Parteien gleichberechtigt im Zentrum stehen. Eine Gemeinschaft, die die Utopie einer befreiten Gesellschaft mit bedingungslosem Zugang zu basisdemokratischen Entscheidungsprozessen, zwangloser politischer Teilhabe, wirtschaftlicher Produktivität sowie Gesundheits-, Bildungs- und Sozialwesen zu verwirklichen versucht.
Doch hier in Deutschland ist es nicht nur skandalös genug, dem Treiben neo-osmanischer Großmachtphantasien der AKP tatenlos zuzusehen. Deutsche Unternehmen wie Rheinmetall verdienen durch massive Rüstungsexporte in Krisengebiete wie in die Türkei kräftig mit, allesamt genehmigt von der alten und demnächst der neuen Großen Koalition. Ende 2016 bis Anfang November 2017 wurden Ausfuhren von gut 30 Millionen € an die Türkei genehmigt. Im Rahmen der Freilassung von Deniz Yuecel, gegen den auch nach gut einem Jahr Inhaftierung bis heute keine offizielle Anklage erhoben wurde, wird in den Medien diskutiert, ob die Bundesregierung gegen den Willen von Deniz einen „schmutzigen Deal“ mit Erdogan abgeschlossen habe. Dabei sind diese Lieferungen zu keinem Zeitpunkt unterbrochen worden, es bedurfte keines neuen „Deals“. Im Gegenteil versprach Sigmar Gabriel dem türkischen Außenminister mehr „Zusammenarbeit in Wirtschaft und Sicherheit“, sprich weitere lukrative Rüstungsdeals. Seit dem unmittelbaren Angriff auf Afrin hat die Bundesregierung 20 weitere Exportgenehmigungen für deutsche Rüstungsgüter im Wert von 4,4 Millionen € erteilt.
Es wirkt besonders perfide, dass gerade Deniz Yuecel, der mit seiner journalistisch-investigativen Arbeit maßgeblich mit der Aufklärung dieser mehr als fragwürdigen Zusammenarbeit mit Erdogans Regime und seiner antidemokratischen Politik beschäftigt ist, nun als Schachfigur diplomatischer Verhandlungen eingesetzt worden sein soll. Ein erpressbares Opfer, wie es sich nun in den Medien darstellt, ist Deutschland dabei nie gewesen. Tausende weitere JournalistInnen sitzen nach wie vor im türkischen Knast, weil sie ihrer Arbeit nachgingen und kritisch über die dortigen antidemokratischen Entwicklungen berichteten.
Während also in der Türkei kurdische Identität unterdrückt, regime-kritische Stimmen eingeknastet und allgemein die Gesellschaft in eine faschistische Diktatur gesteuert wird, wird auch hier die Kriminalisierung und Repression kurdischer Proteste in Deutschland vorangetrieben. Zu unliebsam und vor allem zu wirtschaftsschädigend scheinen die legitimen Forderungen der mit Rojava solidarischen Menschen in der Öffentlichkeit. So werden von den deutschen Behörden völlig willkürlich Fahnen der YPG/YPJ mal verboten, mal geduldet. Demonstrationen werden blockiert oder gleich verhindert und tausende Strafanzeigen gestellt für das Zeigen bestimmter Symbole. Facebookpostings von Artikeln, bei denen eine YPG Fahne zu sehen war, veranlassten die deutschen Behörden zu Hausdurchsuchungen. Kein Wunder, dass sich der türkische Ministerpräsident Binali Yildirim Zitat „hochzufrieden mit dem Vorgehen der deutschen Polizei“ zeigte. Dabei wäre vielmehr zu überprüfen, ob zum einen die Nähe der YPG zur PKK überhaupt personell und ideologisch derart eng ist und zum anderen ob ein PKK-Verbot überhaupt noch zeitgemäß ist. Die PKK hat in den letzten 20 Jahren eine gewaltige Veränderung sowohl in ideologischer als auch strategischer Hinsicht gemacht. Der erfolgversprechende kurdisch-türkische Friedensprozess wurde 2015 nach dem Putschversuch Unbekannter von der AKP einseitig beendet und die Repression gegen kurdische Parteien und Initiativen in der Türkei wieder mit vollem Ausmaß aufgenommen.
Währenddessen geht das Morden auch mit deutschen Waffen in Afrin weiter. Die vom UN-Sicherheitsrat erst kürzlich verordnete Waffenruhe für Syrien wird vom Erdogan-Regime ignoriert. Die seit Samstag Nacht stattfindende Bombardierung und Artilleriebeschuss der Stadt Afrin durch die türkische Luftwaffe und Armee bedroht das Leben der derzeit ca. 800.000 dort lebenden Menschen, wenn sie sich nicht bereits in Gebiete des syrischen Assadregimes flüchten mussten. Islamisten, die sich teilweise aus Resten von Al Qaida und IS zusammensetzen, haben nach neuesten Berichten die Stadt eingekesselt und bereits mit Enthauptungen von sogenannten „Ungläubigen“ begonnen. Was muss noch geschehen, bis diesem faschistischen Morden endlich ein Ende gesetzt wird? Wenn nicht schnell gehandelt wird, steht uns ein islamistischer Genozid an den KurdInnen bevor!
Wir fordern:
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Die sofortige Durchsetzung einer Flugverbotszone für ganz Syrien!
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Den sofortigen Stopp des Angriffs und unmittelbaren Rückzug der türkischen Armee und Ihrer Jihadisten aus Afrin und den kurdischen Gebieten!
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Freiheit für alle demokratischen Oppositionellen aus den türkischen Gefängnissen!
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Die sofortige Durchsetzung der Waffenruhe in ganz Syrien unter Androhung von Sanktionen bei Nichteinhaltung durch die Vereinten Nationen!
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Die internationale Verurteilung des Angriffkriegs und die strafrechtliche Verfolgung Erdogans Verbrechen gegen die Menschlichkeit!
Schulter an Schulter gegen den Faschismus! Safe Afrin! Frieden und Freiheit für ein demokratisches Rojava!!! Hoch die antinationale Solidarität!