Versuch einer linken Position zur Coronakrise

Fast alle Staaten hat es mittlerweile erwischt, eine Pandemie, eine Seuche globalen Ausmaßes zieht wie eine Naturkatastrophe über den Planeten. Sie streckt vor allem Vorerkrankte nieder und verbreitet sich exponentiell in den Gesellschaften. Doch Virus-Pandemien sind keine reinen Naturkatastrophen! Der Blog Chuang (hier eine deutsche Übersetzung: https://www.wildcat-www.de/aktuell/a112_socialcontagion.html) analysiert in einem Artikel die Ursprünge von Covid 19. Die Autor*innen arbeiten die Verbindung von Massentierhaltung, Urbanen Slums und Verdrängung des Lebensraums von Wildtieren heraus, die nötig sind um eine Entwicklung von Viren wie SARS CoV 2 zu ermöglichen. Auch Sonia Shah argumentiert ähnlich und zeichnet Entwicklungswege anhand von Ebola nach. (https://www.monde-diplomatique.de/Woher-kommt-das-Coronavirus/!5668094) Konkrete Viren und vor allem Pandemien entstehen also unter massiver Mitwirkung des Menschen, oder besser gesagt in konkreten Gesellschaftsformen und würden unter anderen Umständen zumindest nicht so häufig auftreten. Der Einfluss des Kapitalismus, bzw. dessen end- und maßloser Verbrauch von Ressourcen und Lebewesen, auf die Entwicklung von Viren, ist gar nicht zu überschätzen (Auch von der Klimakrise, aber dazu in anderen Texten mehr). Ist ein Virus soweit entwickelt, dass es von Mensch zu Mensch übertragbar ist, ist eine der Grundvoraussetzungen für eine Pandemie gegeben. Damit diese sich aber verwirklichen kann, muss zugelassen werden, dass sich das Virus verbreitet. Im Fall von Covid 19 z.B. hatte die Kommunistische Partei Chinas zu lange versucht das Problem klein zu halten und ist repressiv gegen Whistleblower vorgegangen. Im Westen wurden trotz besseren Wissens noch Massenveranstaltungen wie Champions League Spiele in Italien, Après-Ski Partys in Österreich oder Spring Break in den USA durchgeführt, welche zu einer immensen Verbreitung des Virus führten. China, Taiwan und Südkorea haben den Virus mit großer Kraftanstrengung, teilweise autoritären Methoden und massiven Einschränkungen von Wirtschaft und öffentlichem Leben in den Griff bekommen.

Doch im Westen scheint die Durchseuchung der Gesellschaft beschlossene Sache bzw. unausgesprochener Konsens, auch weil man sich in seinem Überheblichen Eurozentrismus schon immer für etwas Besseres als den Rest der Welt gehalten hat. Hier wird die viel höhere Abdeckung mit (intensiv-)medizinischer Versorgung als Garant für das „Überstehen“ des Virus gesehen. Die allzu große Sorglosigkeit von einigen Ländern musste schlussendlich aber doch zumindest gegen ein „flatten the curve“ eingetauscht werden. Gerade die Bilder von Militär LKWs, die in Norditalien Leichen in andere Städte schaffen mussten, weil die örtlichen Krematorien überlastet waren, trugen wohl zu einem Umdenken bei. Während wirtschaftlich und somit auch medizinisch schwächer aufgestellte Staaten mit diesem „Konzept“ hunderttausende Tote zu befürchten und mit großer Wahrscheinlichkeit auch zu beklagen haben werden. Denn die Verbreitungskurve kann aufgrund der Lebenssituationen gar nicht so weit abgeflacht werden, dass „nur“ die Schwer Vorerkrankten sterben müssen (Mike Davis schreibt in seinem Buch „Planet der Slums“, dass 2005 bereits mehr als 1 Milliarde Menschen weltweit in Slums leben, die Zahl dürfte heute über 1,5 Milliarden sein, verlässliche Zahlen gibt es dazu aber nicht (https://de.statista.com/statistik/daten/studie/158081/umfrage/slumbewohner-weltweit-seit-1990/). Diese Staaten wären eigentlich auf eine Eindämmung der Pandemie angewiesen, was aber zum jetzigen Zeitpunkt einer globalen Kraftanstrengung bedürfte, die eine kapitalistische Weltgesellschaft, welche sich zuerst als Konkurrenz um Standorte begreift, nicht wird stemmen können.

Doch im Westen wird diese Form der Eugenik zu hunderttausenden Toten führen. Diese Leben werden geopfert, um den wirtschaftlichen Schaden möglichst gering zu halten, denn die Aktienkurse fallen und unzählige Menschen sind auf Kurzarbeit oder werden gleich gekündigt. Während sich mehr als zwei Freund*innen nicht im Park, auch nicht mit Sicherheitsabstand, treffen dürfen, werden in Fabrikhallen und Großraumbüros zu Hunderten „Coronapartys“ während der Arbeit gefeiert. Bitte nicht Reisen, mit der Bahn zur Arbeit pendeln ist aber ok, usw. Während sich Staaten mit Bestrafungen für Rechtsverletzungen zu Coronazeiten überbieten und so manch ein CDU-Freund (Orban) die Gunst der Stunde nutzt und sich (endlich?) direkt zum Quasi-Diktator ernennen lässt, (https://www.tagesschau.de/kommentar/eu-ungarn-orban-corona-101.html) wollen andere Menschenfeinde, wie der Vizegouverneur von Texas, Dan Patrick (https://www.spiegel.de/panorama/coronavirus-texanischer-gouverneur-fordert-grosseltern-auf-fuer-ihre-enkel-zu-sterben-a-5d7724af-e3d8-4ba0-a561-ecb8af0f402d) sich sogar selbst für die Rettung der Wirtschaft opfern und Verlangen das dann auch von anderen. Was für ein Wahnsinn!

Die Krise führt jedem*r offensichtlich den Normalzustand des Kapitalismus vor Augen: Menschliche Arbeit bleibt die Grundlage für Profite und diese müssen bei Androhung des Untergangs immer weiter gesteigert werden. Denn darum geht es, während die Kapitalist*innen nur „personifizierte[s] Kapital“ darstellen, wird der Arbeitende zum „Anhängsel der Maschine“ degradiert (MEW 23). Die Konkreten Menschen sind in diesen Verhältnissen sowieso nie mehr als Biotreibstoff für eine sich verselbstständigte Systematik und Dynamik die Marx das „automatische Subjekt“ (MEW 23) taufte. Nach Corona soll es in diese irrationale Normalität zurück gehen, eine, in der Firmen dichtmachen – ohne das Bedürfnisse verschwunden sind oder die Fabrik in der produziert wurde eingestürzt wäre – und Lohnabhängige auf die Straße gesetzt werden. In der Häuser leer stehen während andere auf der Straße schlafen, weil alles in Privateigentum eingeteilt zur Kapitalverwertung bereitstehen muss und es auch tut. (https://kosmoprolet.org/de/thesen-zur-krise) Bedürfnisbefriedigung ist in dieser Normalität nur ein Nebenprodukt der Wirtschaft, einem Bäcker kann es in letzter Konsequenz egal sein, ob mit seinem Produkt Menschen satt werden. Denn in einem System, welches auf Eigentum und Profit basiert, entscheidet der „wirtschaftliche Erfolg“ des Einzelnen über seine wirtschaftliche, und allzu oft auch über seine menschliche Existenz. Die kapitalistische Weltgesellschaft produziert neben Unmengen an überflüssigen Waren auch Unmengen an überflüssigen Menschen. Sie werden nicht als günstige Arbeitskräfte gebraucht. Maschinen hatten ihre Arbeitsplätze schon ersetzt, da arbeiteten sie noch als verarmte Bauern in Dörfern, welche regelmäßig von lokalen Hungersnöten heimgesucht wurden. Verdrängung von Landbevölkerung in die Städte durch Privatisierung der Landflächen war schon hunderte Jahre vorher das grausame Schicksal der ehemaligen englischen Leibeigenen. (Hierzu das Kapitel über die ursprüngliche Akkumulation im 1. Band des Kapitals von Marx) Diese Überflüssigen versuchen seit Jahrzehnten immer wieder in den Westen zu gelangen und müssen die Pandemie gerade in überfüllten Flüchtlingslagern z.B. auf Lesbos oder im Irak überstehen. Eine Humanitäre Katastrophe bahnt sich an, wo bisher nur Versprechungen gemacht wurden, aber keine Taten folgten. So wurde vor Monaten beschlossen es würden 1500 Kinder aus den Lagern aufgenommen werden, vor ein paar Tagen kamen dann 50 an. (https://www.spiegel.de/wissenschaft/mensch/griechenland-athen-will-fluechtlinge-aufs-festland-evakuieren-a-a709cb59-d789-4adc-9183-7599167f7eed)

Die Irrationalität der Verhältnisse in unserer Gesellschaft kann einen schon Verzweifeln lassen. Dennoch gibt es Hoffnung! Hoffnung darauf eine Gesellschaft so einzurichten, dass wir, ohne die Schwächsten verrecken zu lassen, ein gutes Leben für alle ermöglichen können. Auch wenn sich die meisten in dieser Gesellschaft eher das „Ende der Welt“ als das Ende des Kapitalismus vorstellen können, so ist er doch möglich und vor allem nötig. Wir fordern daher in diesen Zeiten: Das Aufrechterhalten des Social Distancing, aber vor allem die Ausweitung der Betriebsschließungen auf Produktionen und Arbeiten, welche auch in ein paar Monaten noch ohne Probleme durchgeführt werden können. (Ein Wasserrohrbruch kann im Gegensatz zu einem neuen Teich im Garten nicht so einfach warten) Wir fordern eine Eindämmung des Virus und keine Durchseuchung der Gesellschaft. Wir fordern eine Öffnung aller Hotels und leerstehenden Wohnungen bei Gleichzeitiger Schließung von Massenunterkünften, egal ob Flüchtlings- oder Obdachlosenunterkunft. Wir fordern die Aufnahme von Geflüchteten aus den überfüllten Lagern, in den Hotels ist ja dann genug Platz. Wir fordern eine Entprivatisierung des Gesundheitssektors. Darüber hinaus, wenn wir gerade schonmal dabei sind, eine komplette Umstrukturierung der Produktion und Bereitstellung von Wohnraum, Lebensmitteln und Klamotten. Diese dürfen nicht länger über Märkte „geregelt“ werden, die in Wirklichkeit nichts außer den Kampf Aller gegen Alle organisieren, sondern sollten jedem Menschen ohne Wenn und Aber verfügbar gemacht werden. Wir wollen nicht in eine Welt zurück, in der der Mensch zum Wolf des Menschen gemacht wird, sondern eine Gesellschaft auf Grundlage von echter, nicht marktvermittelter, Solidarität, in der sich nicht mehr zwischen Menschenleben und „der Wirtschaft“ entschieden werden muss.

Denn wir wollen nicht ein Stück vom Kuchen, wir wollen das Rezept ändern!

Für die befreite Gesellschaft