[Nachtrag zur Antira-Demo vom 10.5.2014] Deutsche und europäische Migrationspolitik – Wie sich struktureller und institutioneller Rassismus gegenseitig bedingen

Während des Wirtschaftsaufschwung der 1950er und 60er Jahr der Bundesrepublik Deutschland herrschte Arbeitskräftemangel und um diesen zu kompensieren wurden Gastarbeiter*innen (bzw die DDR Vertragsarbeiter*innen) angeworben. Deutschland vollzog eine Metamorphose vom Auswanderungs- zum Einwanderungsland und ist als Teil der europäischen Union nach wie vor einer der wichtigsten Zielregionen innerhalb des globalen Migrationssystem.
Nach dem Ende des Wirtschaftsaufschwungs Ende der 1970er Jahre und spätestens mit der Wiedervereinigung Deutschlands wandelte sich jedoch nicht nur der Arbeitsmarkt sondern auch die allgemeine Situation. Durch den “Asylkompromiss” 1993 von CDU und SPD, sowie durch die “Dubliner Abkommen” der europäischen Mitgliedsländer, verändert sich auf politischer und juristischer Ebene die Situation von Migrant*innen in Deutschland und in der europäischen Union. Aufgrund des Asylkompromisses ist es für Migrant*innen seit 1993, trotz des im Grundgesetz festgelegten Grundsatzes in Artikel 16a Absatz 1 :”Politisch Verfolgte genießen Asylrecht”, quasi unmöglich nach Deutschland zu immigrieren. Dies regelt Absatz 2 des Artikels 16a des Grundgesetzes: “Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedsstaat der Europäischen Gemeinschaft oder aus einem anderen sicheren Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvektion zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist (…).“
Da jeder Anrainerstaat Deutschlands die in Artikel 2 genannten Voraussetzungen erfüllt und Deutschland aufgrund seiner geographischen Lage, bis auf kleine Bereiche der Nordsee, nur von „sicheren“ Anrainerstaaten umgeben ist, ist es faktisch auf legalem Weg nur möglich nach Deutschland auf dem Luftweg zu immigrieren. So kann die Bundesrepublik ein vermeintliches “Flüchtlingsproblem” elegant auf seine Anrainerstaaten abwälzen.
Dabei ist eine veränderte Asylpolitik Deutschlands keineswegs alleinige Reaktion auf eine angeblich veränderte wirtschaftliche Situation, sondern gleichermaßen Reaktion auf die rassistische Pogromstimmung innerhalb der deutschen Bevölkerung, die sich an den Übergriffen in Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und anderen Städten in den 90er Jahren ihren Höhepunkt fand. Auch rassistische Kontrollen der Polizei, das sogenannte “racial profiling”, sowie die Abschottung der europäischen Länder durch eine verstärke Grenzsicherung an den europäischen Außengrenzen (seit dem 2. Dubliner Abkommen) durch die “Grenzsschutzorganisation” Frontex, sind Reaktionen auf eine veränderte gesellschaftliche und politische Stimmung zum Thema Asyl.
Die Gründe für die Abschottungspolitik sind ausschließlich rassistischer und nicht wie von den etablierten Parteien in der Mitte des Parteiensystems behauptet wirtschaftlicher Art. Denn selbst aus einer kapitalistischen Marktlogik heraus ergibt es keinen Sinn, dass bei fehlendem Fachkräftemangel, der durch den demographischen Wandel resultiert, auf Einwanderung zu verzichten. Viel mehr wird, angeheizt von rechten Agitatoren wie Wilders, Le Pen oder der hiesigen AFD, Angst vor dem vermeintlich “Fremden” geschürt und auf einer fadenscheinigen Begründung ein Kulturrassismus aufgebaut, der für Migrant*innen in Deutschland und in der EU Abschiebung und für Flüchtlinge an den EU Außengrenzen Todesgefahr bedeutet. Gleichzeitig bedeutet eine durch verschärfte Gesetze und verschärfte Grenzsicherung mehr und mehr repressive Flüchtlingspolitik für die etablierten bürgerlichen Parteien Wählerstimmen, da man sich angeblich eines „Flüchtlingsproblems“ angenommen hat und rassistische Ressentiments der bürgerlichen Gesellschaft befriedigt wurden.

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