Vortrag „Der Holocaust im Film – Der Dokumentarfilm Shoah von Claude Lanzmann“

Ein Vortrag von Dr. Daniel Alles, Johannes Gutenberg-Universität Mainz

23.01.2015 // 19 Uhr // Forum der VHS Aachen // Eintritt frei

 

 

 

Ihr, die ihr gesichert lebet
In behaglicher Wohnung;
Ihr, die ihr abends beim Heimkehren
Warme Speise findet und vertraute Gesichter:
Denket, ob dies ein Mann sei,
Der schuftet im Schlamm,
Der Frieden nicht kennt,
Der kämpft um ein halbes Brot,
Der stirbt auf ein Ja oder Nein.
Denket, ob dies eine Frau sei,
Die kein Haar mehr hat und keinen Namen,
Die zum Erinnern keine Kraft mehr hat,
Leer die Augen und kalt ihr Schoß
Wie im Winter die Kröte
Denket, dass solches gewesen.
Es sollen sein diese Worte in eurem Herzen.
Ihr sollt über sie sinnen wenn ihr sitzet
In einem Hause, wenn ihr geht auf euren Wegen,
Wenn ihr euch niederlegt und wenn ihr aufsteht;
Ihr sollt sie einschärfen euren Kindern.
Oder eure Wohnstatt soll zerbrechen,
Krankheit soll euch niederringen,
Eure Kinder sollen das Antlitz von euch wenden.
Primo Levi – Ist das ein Mensch?

Bis zum heutigen Tag steht der industrialisierte Massenmord an den Juden Europas als ein schwarzer, unzugänglicher Monolith in der Geschichte, eine Sperre für Verstand und Imagination, ein Widerpart zu Repräsentation und Abbildung. Keine andere historische Tatsache hat jegliche Beschäftigung mit ihr in solcher Weise affiziert, dass im gleichen Moment des Nachdenkens über sie eben dieses Nachdenken an seine Grenzen geführt und selbst hinterfragt wird. Selbst die Findung eines adäquaten Namens erscheint konträr zu einem moralischen Imperativ, kein Begriff reicht weit genug für das Unaussprechliche. Bietet das Bild hier einen Ausweg?

Neben einer kurzen historischen Darstellung der Gattung Dokumentarfilm zum Thema Holocaust wird detailliert auf den Film Shoah von Claude Lanzmann eingegangen. Dieses umfangreiche Werk von nahezu zehn Stunden Laufzeit birgt vielfältige Anknüpfungspunkte für eine Filmanalyse. Ikonografie, Dramaturgie und ästhetische Strategien sollen hierbei im Vordergrund stehen. Wie erzählt dieser Film, und was kann er erzählen? Welches Verhältnis von Gegenwart und Vergangenheit wird dabei konstruiert?Letztendlich soll ergründet werden worin die spezifischen Leistungen dieses Werkes zu sehen sind und wie es vor dem Gesamtkomplex zu beurteilen ist, der da heißt: wie kann man das Unzeigbare zeigen?

Dr. Daniel Alles wurde im Jahre 2012 am Institut für Film-, Theater- und empirische Kulturwissenschaft der Johannes Gutenberg-Universität Mainz mit einer Arbeit zum zeitgenössischen Dokumentarfilm promoviert.