Solidarität als Waffe

An dieser Stelle dokumentieren wir unseren Redebeitrag vom Idahobit 2016 in Aachen.

Solidarität als Waffe

In den Morgenstunden des 28. Juni 1969 kam es zu massiven Ausschreitungen zwischen der Polizei und queeren Gästen der Bar „Stonewall Inn“ im New Yorker Stadtteil Greenwich Village. Die Bar war, wie viele andere queere Institutionen, seit Jahren Ziel von polizeilicher Repression. Doch an diesem Tag formierte sich der Widerstand, viele Menschen schlossen sich lautstark mit dem Slogan „Gay Power!“ dem Protest an, und die 400 eingesetzten Bereitschaftspolizisten wurden von mehr als 1000 Protestierenden gewaltsam vertrieben. Auch in den folgenden Tagen kam es zu Ausschreitungen und Solidarisierungen in den gesamten USA. Das Ereignis markiert die Geburt des aktiven Widerstands gegen soziale Diskriminierung und staatliche Repression.

Als Konsequenz des Aufstands organisierten sich queere Menschen im gesamten Land in Bürgerrechtsgruppen, um die unerträglichen Zustände in einer homophoben und transphoben Gesellschaft und all ihren negativen Auswirkungen zu bekämpfen. Heute wie damals ist aktiver Widerstand gefordert, um Diskriminierung und Hass gegenüber queerem Leben entgegenzutreten.

So wichtig es auch ist sich mit direkten Aktionen gegen Diskriminierung und Repression zu wehren, ist es ebenso wichtig als politische Bewegung die eigene Position möglichst vielen Leuten näher zu bringen. Um dies zu erreichen bzw. Aufmerksamkeit in der Gesellschaft zu erregen, bedarf es einer großen Masse von Menschen. Große Veränderungen wurden immer angestoßen, indem sich viele Menschen zusammengetan haben. Dafür ist unter anderem auch die Solidarität zwischen den verschiedenen Kämpfen nötig. Ein sehr schönes Beispiel, wie so etwas funktionieren kann, ist die Gruppe „Lesbians and Gays support the Miners“ – LGSM.

Die Gruppe bestand aus queeren Männern und Frauen die sich im Zuge der Britischen Bergarbeiter*innenstreiks von 1984/85 zusammen getan hatten. Sie nahmen an den Demonstrationen der Minenarbeiter*innen teil, sammelten Geld auf ihren eigenen Aktionen und zeigten sich öffentlich solidarisch. Am Ende der Streiks gab es schon 11 Gruppen. Während dieser Zeit bildeten sich enge Verbindungen zwischen den Organisationen der Bergarbeiter*innen und der LGSM. In ganz England nahmen Bergarbeiter*innen an Gay Pride-Veranstaltungen teil, z.B. die Gay Pride Parade 1985 in London. Bei einem Parteitag der Labour Partei wurde ein Beschluss zur Verbesserung der Rechte von queeren Menschen durch die einstimmige Unterstützung der „National Union of Mineworkers“ durchgesetzt. Solidarität zahlt sich aus!

Wenn uns die Beispiele aus New York und Wales etwas zeigen, dann dass wir aktiv werden müssen und uns nicht spalten lassen sollen. Stattdessen müssen wir uns solidarisch aufeinander beziehen, um unsere Kämpfe zu verbinden und somit stärker zu machen. Es wurde schon einiges erreicht, aber die Zeiten werden kälter und es steht viel auf dem Spiel. Wenn wir uns im Abwehren der Angriffe von Rechts vereinzeln lassen, werden wir das Erkämpfte verlieren. Die AfD, die ihre Stimmen auch aus der „besorgten Eltern“-Bewegung aus Baden-Württemberg zu bekommen scheint, beschreibt sich zwar erst mal nur als Vertreidiger*in der Ehe und Familie mit Vater, Mutter und Kind, aber sie stellt sich auch eindeutig gegen die Öffnung des Sexualkundeunterrichts für queere Anliegen. Die AfD greift aber nicht nur Trans- und Homosexuelle an, überall wo sie Menschen klassifizieren, unterscheiden und ausschließen kann, ist sie mit von der Partie. Zum Beispiel als wirtschaftsliberale Partei, die zwar ihre Stimmen aus dem Teil der frustrierten Unterschicht bekommt, der für rassistische Mobilmachung zu gewinnen ist, aber gleichzeitig die Oberschicht mit Steuererleichterungen entlastet und bevorteilt. Sie führt einen Klassenkampf von oben und spaltet die Gesellschaft auch mit rassistischen Kategorien. Vor zwei Jahren wurde noch gegen vermeintlich faule Griechen gehetzt, im Moment sind „der Islam“ und „die Flüchtlinge“ die bevorzugten Objekte des Hasses – obwohl die von der AfD thematisierten gesellschaftlichen Probleme weitaus komplizierter sind und deren Lösung das einfache Konstrukt vom „Fremden“ und „Sündenbock“ nur noch schwerer macht.

Doch wir brauchen gar nicht an den rechten Schmuddelrand unserer Gesellschaft zu blicken. Die AfD wäre ohne die Stichworte aus der sogenannten Mitte der Gesellschaft und aus den etablierten Eliten nicht so groß geworden. Was bei Sarrazin offensichtlich wurde, ist jetzt wählbar. Und wenn sich Politiker der selbsternannten Volksparteien wie Thomas de Maizière hinstellen und wie letzte Woche im Bundestag behaupten, dass allein durch die „abstrakte Androhung einer Todesstrafe und die abstrakte Strafbarkeit von Homosexualität“ sich kein Asylgrund ergeben würde, dann fragt man sich, was denn überhaupt noch ein Fluchtgrund in den Augen dieser Schreibtischtäter*innen sein kann.

Hier in Aachen sitzt mit Markus Mohr ein AfD-Mann vom rechten Flügel der Partei im Stadtrat. Er erregte deutschlandweit Aufsehen, als er im Dezember 2014 wegen den Bauplänen und der Finanzierung des Autonomen Zentrums seitens der Stadt Aachen eine Anfrage im Stadtrat stellte. Darüber hinaus fragte er noch nach der Zahl der HIV-infizierten Geflüchteten und auch nach der Finanzierung des Projekts Schlau, welches Aufklärungsarbeit zu den Themen Homosexualität, Bi- und Transsexualität betreibt. In typischer rechter Verschwörungsmanier und in Anlehnung an NS-Terminologie wird von Seiten der AfD hier von einer „Homosexualisierung der Kinder“ schwadroniert. Dem stellen wir ein fröhliches „Lieb doch wen du willst!“ gegenüber.

Deswegen fordern wir die Anerkennung von Verfolgung wegen Homosexualität als Fluchtgrund. Lasst uns gemeinsam für eine offene Gesellschaft kämpfen! Denn Nationalismus ist keine Alternative!