Redebeitrag Demonstration Recht auf Stadt: Braucht man Katastrophen für ein Umdenken?

Wir möchten euch dazu aufrufen, sich zu vernetzen, kreativen und sichtbaren Protest zu organisieren und diesen auf die Straße zu tragen. Dadurch kann Druck auf die Stadt aufgebaut werden, bis die lokale Politik die Belange der Menschen, die in der Stadt leben, wahrnimmt und nach den Bedürfnissen derer handelt.
In der jüngsten Vergangenheit hat uns ein Beispiel gezeigt, wie wichtig es ist, auf die lokale Bewohner*innenschaft zu hören. Vor einem Monat brannte im Londoner Stadtteil North Kensington das Grenfell-Tower-Hochhaus. Wie kam es zu dem Brand, bei dem mindestens 79 Menschen starben? Nach dem Brand hat sich herausgestellt, dass das Material, welches in der Fassade des Hochhauses verarbeitet wurde, nicht brandsicher war. Das war der Grund, wieso sich das Feuer rasend schnell ausbreiten konnte und die Bewohner*innen keine Möglichkeit hatten zu entkommen oder auf Rettung im Haus zu warten. Allerdings war diese Katastrophe nicht für alle Menschen überraschend. So warnte die Gruppe Grenfell Action Group bereits seit mindestens 2013 vor einem ähnlichen Szenario. Sie wies in mehreren Artikeln nach, dass das Brandschutzkonzept nicht vernünftig ausgearbeitet oder Mängel bewusst ignoriert wurden. Die Aktivst*innen belegten, dass die Firma Lancaster West management Fluchtwege vernachlässtigte oder Rettungswege zu parkte. Die Anschuldigungen wurden von der Firma ignoriert, auch die lokale Politik kam den Bewohner*innen nicht zur Hilfe. Die Gruppe Grenfell Action Group behielt mit ihrer Vermutung Recht, dass erst eine Katastrophe passieren musste, bis ein Umdenken seitens der Politker*innen stattfindet. Auch wenn von einem Umdenken bisher keine Rede war, fanden in den Wochen nach dem Brand zahlreiche Kontrollen statt. Zuerst wurden dabei 75 Sozialbauten überprüft. Die Bilanz war erschreckend! Nicht eins der überprüften Gebäude entsprach den Anforderungen des Brandschutzes. Die Mängel waren so gravierend, dass bei vier Hochhäusern die Bewohner*innen die Gebäude wegen akuter Brandgefahr räumen mussten. Wie kann es sein, dass eine so große Gefährdung nicht bei Kontrollen auffällt? Beziehungsweise: Gab es überhaupt ernsthaftt Kontrollen? Oder spielten die Zustände, in denen die Menschen lebten, keine Rolle? Diese Annahme liegt nahe, denn schon vor knapp 200 Jahren benannte Friedrich Engels den Umgang der Politik mit den ärmernen Vierteln als sozialen Mord. Auf Grund von Vernachlässigung und dem Verkennen der Probleme, starben und sterben immer noch ärmere Menschen an einem früheren Tod, oft – wie beim Brand im Hochhaus – ist dieser auch noch ein unnatürlicher. Doch dieses Phänomen ist kein typisch britisches, es ist ein globales. Aufgeschreckt durch die Ereignisse in London, wurden auch in Deutschland meherere Hochhäuser überprüft. In Wuppertal eins evakuiert. Auch dieses Gebäude ist ein Sozialbau, bewohnt von ärmeren Menschen und Migrant*innen. Wieder drängt sich die Frage auf, ob das Leben ärmerer Menschen weniger Wert ist, als das von reicheren Menschen? Oder wieso lässt man diese in solchen Häusern wohnen, bis ein Leugnen der mangelhaften Wohnumstände nicht mehr möglich ist? Diesen Zustand wollen wir nicht hinnehmen. Wir weigern uns Menschenleben danach zu bewerten, wie viel Geld sie haben und die kapitalistische Verwertungslogik weiter zu führen.
Dem Beipiel der Grenfell Action Group folgend, wollen wir für eine solidarische Nachbarschaft plädieren. So können sich Menschen gegenseitig unterstützen, gemeinsam ihren Alltag gestallten und zusammen ihren Belangen Druck verleihen. Schließlich wissen wir besser als Investor*innen oder Politker*innen, wie wir in unseren Vierteln leben wollen. Gemeinsam für das Recht auf Stadt!