Home sweet Home – Gewalt gegen Frauen und das Recht auf ein sicheres zu Hause

Dieser Artikel erschien in der ersten Ausgabe der Zeitung ‚Tacheles‘ aus Aachen.

Das eigene zu Hause. Der Ort an dem ich mich zurück ziehen kann. An dem ich mich ausruhen kann. An dem ich mich von meine zurichtenden Alltag erholen kann. An dem ich ich selbst sein kann. So lautet das Glücksversprechen des Kapitalismus. Ein Raum frei von Zwängen. Doch für jede vierte Frau wird dieses Versprechen mindestens einmal in ihrem Leben nicht eingelöst. Für sie ist das eigene zu Hause die Materialisierung der Hölle. Sie werden verprügelt, bespuckt, vergewaltigt, eingesperrt, isoliert. Das eigene zu Hause, bleibt der gefährlichste Ort für Frauen weltweit.

Die Unterdrückung der Frau und die mit ihr einhergehende Gewalt gegen sie sind auch heute in die bestehenden Verhältnisse eingeschrieben und tief verankert, sie müssen daher in Zusammenhang gebracht werden mit jenen kapitalistisch patriarchalen Zumutungen die sie hervorbringen.

Der Kapitalismus ist angewiesen auf eine Trennung zwischen Öffentlichkeit und Privatheit. Denn nur so können Arbeiten, die der für das Kapital zentralen Verwertungslogik widersprechen von der wertbildenden Sphäre, der Produktion abgespalten werden. Frauen werden durch Sozialisation und wirtschaftliche Zwangsverhältnisse immer wieder ins Private verwiesen, wo sie unbezahlt die Ware Arbeitskraft (re-)produzieren, für einen steten Nachwuchs an gut verwertbaren Arbeitskraftbehältnissen sorgen und jene pflegen, die nicht mehr verwertbar sind. So ist die Frau einer doppelten Ausbeutung und Vergesellschaftung unterworfen, muss sie sich doch gleichzeitig auf dem Arbeitskraft als dem Manne gleich verdingen.

Was auf den ersten Blick losgelöst von der Gewalt gegen Frauen erscheint hängt bei näherer Betrachtung zwingend miteinander zusammen. So wird Weiblichkeit mit den im Kapitalismus abgewerteten Arbeiten assoziiert und damit marginalisiert. Es steht der Verwertungslogik konträr gegenüber, muss abgespalten und abgewertet werden. Frauen werden in der Folge dem Mann untergeordnet und zum Objekt des Männlichen degradiert, was mit Besitzansprüchen einhergeht, die tödlich enden können.

Zudem werden Frauen durch die doppelte Belastung vermehrt in prekarisierte Berufe verwiesen, arbeiten Teilzeit und sind in der Folge häufig in einem konkreten, finanziellem Abhängigkeitsverhältnis zum Mann. Die Frau muss in der ihr aufgezwungenen Stellung in dieser Gesellschaft gehalten werden, im Zweifel mit Gewalt.

Durch die Verweisung der Frau und die ihr angetanen Gewalt in die Sphäre der Privatheit wird das sich hier konkretisierende Herrschaftsverhältnis verschleiert, individualisiert und als Beziehungsdrama bagatellisiert.

Es bestehen zahlreiche karitative Angebote. Diese verbleiben trotz ihrer dringenden Notwendigkeit in der Reaktion. Werden sie nicht ergänzt durch Kämpfe, die die gesamten Verhältnisse angreifen, nehmen sie in Kauf, dass auch in Zukunft Frauen, weil sie Frauen sind verprügelt und ermordet werden.

Um die Verhältnisse in ihrer Gänze zum ‚Tanzen zu bringen‘, ist es unabdingbar Kämpfe zusammen zu führen, gegen ein System der Ausbeutung und Unterdrückung, gegen die Vereinzelung und für das solidarische Miteinander. Neue Überlegungen zu Klassenkämpfen vermögen dies und müssen in Diskussionen um feministische Theorie und Praxis einbezogen werden. Sie bieten die Möglichkeit eine Kraft zu entwickeln, die es ermöglicht Ketten zu sprengen. Die vermehrten feministischen Streiks der letzten Jahre zeigen Ansätze hierzu. Durch gezielte Reproduktionsstreiks ist es möglich zum einen die elementare Bedeutung der Reproduktionsarbeit für das Bestehende und damit als Entstehungsbedingung von patriarchaler Gewalt aufzuweisen und zum anderen die Isolation die mit der Verdrängung in die Private Sphäre und das eigene zu Hause einhergeht und Organisierung erschwert zu brechen. Diese Kämpfe müssen im Hier und Jetzt beginnen und dürfen die Frage nach der Emanzipation der Frau und ihre Befreiung von männlicher Gewalt nicht in die Utopie verschieben. Durch eine Melange aus revolutionären Analyse und Theorie und einer Praxis, die Solidarität erlebbar werden lässt und über bloße Lippenbekenntnisse hinausweist, ist es möglich einen Ausblick auf das zu erheischen, was zu gewinnen ist.

Das Private ist politisch. So müssen wir unseren privaten Raum zum einen gegen die kapitalistische Verwertung verteidigen, zeitgleich jedoch ihn der Privatheit, in der Frauen der Verfügungsgewalt von Männern zu oft ausgeliefert sind entreißen. In diesem Spannungsfeld können sich neue Formen des Zusammenlebens entwickeln. Ein Gemeinsames dessen wie wir zusammen leben wollen kann hier eruiert werden. Der Schutz von Gewalt betroffenen Frauen kann hier praktisch werden, solidarische Netzwerke können entstehen, die die vereinzelten Subjekte zu einen vermögen. Kämpfen wir dafür, dass wir leben können wie und wo wir wollen und das in Sicherheit. Kämpfen wir für ein Leben ohne Angst. Kämpfen wir für das gute Leben für alle.