Redebeitrag 9. November 2014 über die aktuelle Problematik rund um die Kneipe „Fiasko“

Heute hielten wir bei der Gedenkfeier zum 9. November einen Redebeitrag vor der Synagoge. Wir thematisierten die Problematik des neonazistischen Klientel, die die Kneipe „Fiasko“ besucht. Dass wir mit unseren Einschätzungen und Forderungen bezüglich jener richtig lagen, bewiesen die Reaktionen, der Besucher_innen des „Fiaskos“ auf unsere Rede und die Gedenkveranstaltung. Sie fielen durch Zwischenrufe, wie „Deutschland ist Weltmeister“ und lautes Lachen auf. Augenzeugen berichteten sogar davon, Hitlergrüße gesehen zu haben. Die Polizei reagierte erst, als die Störer_innen von Menschen, die die Gedenkveranstaltung besuchten, auf ihr Fehlverhalten angesprochen wurden.

In der Nacht des 9. November 1938 zogen, wie in vielen anderen deutschen Städten auch, Schlägertrupps von SS und SA durch Aachen und zerstörten unzählige jüdische Einrichtungen wie die Synagoge, welche sich hier am Synagogenplatz ehemals Promenadenplatz wieder an alter Stelle befindet. Genau vor 76 Jahren zog eine bewaffnete Gruppe Männer in die Synagoge und brannte sie nieder, während die Aachener Feuerwehr ihre Arbeit darauf beschränkte den Brand so einzudämmen, dass die Flammen nicht auf andere Häuser übertraten und keine Anstalten machte den Brand in der Synagoge zu löschen. In der Nacht des 9. November 1938 wurden 268 jüdische Menschen festgenommen und in die Konzentrationslager Buchenwald und Sachsenhausen deportiert.
76 Jahre später befindet sich nur unweit der Synagoge, die von den Nazis niedergebrannt und danach von der jüdischen Gemeinde selbst wieder aufgebaut wurde, die Kneipe „Fiasko“.
Seit 1999 gibt es diese Kneipe inzwischen. In den letzten Jahren wird sie immer mehr von Stammgäste aus dem rechten Hooligan- und Nazispektrum besucht. Demnach kommt es in den letzten Jahren vermehrt zu antisemitischen Schmierereien und neonazistischen Übergriffen auf politisch Andersdenkende.
So galt die Kneipe in den vergangenen Jahren als Anlaufpunkt für alteingesessene „Alemannia-Hools“ und Angehörige der organisierten rechten Szene.
Nachdem die rechtsoffene Fangruppe Karlsbande im Jahr 2013 ihren Treffpunkt in der Metzgerstraße aufgeben mussten, nutzen auch diese das Fiasko als Anlaufpunkt. Die Fangruppierung Karlsbande erlang traurige Berühmtheit durch die Übergriffe auf die „Aachen Ultras“ von 2011 bis 2013. Ein Beispiel für einen schweren Übergriff ist der Angriff im September 2012, bei dem ca. 150 Personen aus der Karlsbande, der Aachener Hooliganszene und der organisierten rechten Szene 50 Personen der Aachen Ultras nach dem Spiel attackierten. Fast eine halbe Stunde zog sich die Eskalation hin, bei der Mitglieder der Aachen Ultras am Boden liegend von mehreren Personen aus dem rechten Spektrum getreten und geschlagen wurden. Doch bei solchen Übergriffen gegen die antirassistischen Ultras blieb es nicht! Einige wurden auch in ihren Wohnungen überfallen. Sie bekamen einen sogenannten Hausbesuch. Darauf hin verließen die Aachen Ultras 2013 das Stadion. Die Angreifer konnten ihre Position im Stadion weiter festigen. So ist es nicht verwunderlich, dass bei den gerade in den Medien präsenten rassistischen Demonstrationen der Gruppe „Hooligans gegen Salafisten“ ebenfalls Personen aus dem Aachener Hooligan-Spektrum, der Aachener Naziszene sowie Personen der Gruppe Karlsbande anwesend sein sollten.
Im Fiasko selber halten sich während der Spiele insbesondere Personen auf, denen ein Stadionverbot auferlegt wurde. In letzter Zeit erhielt jene weiteren Zulauf durch die Schließung der Kneipe „Schatulle“ an der Jülicher Straße, von der aus Anfang bis Mitte der 2000er immer wieder Naziangriffe auf Menschen mit Migrationshintergrund und vermeidlichen Antifaschistinnen und Antifaschisten ausgingen.
Seit der Etablierung des „Fiaskos“ als Haupttreffpunkt für die rechte Aachener Hooliganszene kam es vermehrt zu Übergriffen. Am 2. November 2013 sollte eine antirassistische Demonstration unter dem Motto „Fluchtursachen bekämpfen statt Flüchtige: Gegen Krieg, Elend und Festung Europa“ vom Elisenbrunnen in Richtung „Autonomes Zentrum“ ziehen. Schon nach 200 Metern wurde die Demonstration erstmalig von rechten Alemannia-Fans, sowie von Neonazis des „Freien Netz Süd“ und der „Bürgerinitiative Ausländerstopp“ – kurz BIA – angegriffen. Die 30 köpfige Personengruppe, unter der sich auch der mittlerweile in München lebende Aachener Neonazi Daniel T. befand, griffen sofort die Demonstration an und verletzten mehrere Demonstrierende. Daniel T. , wurde zusammen mit Falko W. zu zwei Jahren Haft verurteilt, nachdem er mit seinem Kameraden zusammen eine Glassplitterbombe baute, um diese bei einer Maidemonstration in Berlin gegen Polizist_innen und Gegendemonstranten_innen einzusetzen. Sein Besuch war kein Zufall. War er doch zum Geburtstags des Neonazis Andre Plum mit seinen Münchener Kameradinnen und Kameraden nach Aachen gekommen. Andre Plum ist Vorsitzender des Kreisverbands „Die Rechte Aachen – Heinsberg“ und pflegt auch Kontakte zur Aachener Fanszene.
Der zweite Angriff auf die Demonstration ereignete sich genau hier, am Synagogenplatz. Er ging von ca. 15 Hooligans der „Alt-Hooligan“ – Gruppe „Alemannia Supporters“ aus, die die Demonstrierenden mit Flaschen bewarfen und versuchten diese zu attackieren. Die Althooligans wurden dabei mit „Drecksjuden“ – Rufen antisemitisch auffällig.
Ein weiterer Übergriff rechter Alemannia Hooligans ereignete sich vor 4 Monaten und ging ebenfalls von der Kneipe Fiasko aus. Eine Gruppe von etwa 70 Personen sammelte sich unweit der Kneipe, um für einen im Krankenhaus liegenden „Kameraden“ aus der Alemannia Hooliganszene ein Transparent zu zeigen. Die Personengruppe bestand aus Alemannia Hooligans, Mitgliedern der Gruppe Karlsbande und Hooligans von Roda Kerkrade als auch aus Neonazis und Personen der Hooligan-Gruppe Westfront. Um für das Foto einen guten Eindruck zu schinden, zündete sie Pyrotechnik und manch einer zeigte auch den Hitlergruß. Als ein Antifaschist die Polizeibeamt_innen, die über die gesamte Zeit vor Ort waren, vergebens auf die Situation aufmerksam machen wollte, wurde dieser sofort von der Personengruppe attackiert und musste in die Kneipe „Promenadeneck“ flüchten. Das nahmen die rechten Hooligans zum Anlass auch das Prominadeneck zu attackieren. In den 15 Minuten bis die Polizeiverstärkung eintraf, erlitten einige Besucher des Promenadenecks Verletzungen, wie z.B Platzwunden und Sehnenrisse. Zudem ging durch fliegende Gegenstände eine Scheibe zu Bruch.
Seit Jahren wird die Synagoge mit antisemitische und neonazistische Schmierereien an der Synagoge geschändet. Dass die Schmierereien unter anderem auch mit den Gästen der Kneipe „Fiasko“ zusammenhängen, liegt nahe. Trotz einer 24 Stunden Präsenz der Polizei vor der Synagoge kann von einem sicheren Leben für Jüdinnen und Juden in Aachen wegen der Kneipe keine Rede sein.
Für uns bedeutet die Kneipe „Fiasko“, die unzweifelhaft ein rassistisches, faschistisches, neonazistisches und antisemitisches Klientel zieht, Hohn und Spott für die Opfer der Shoa. Das 76 Jahre nach der Reichspogromnacht und dem unzweifelhaften Beginn der Verfolgung jüdischer Menschen sich eine Kneipe mit der Affinität für eine neonazistische Klientel in unmittelbarer Nähe der Synagoge ohne Widerstand aus Politik und Gesellschaft etablieren kann, zeigt, dass Antisemitismus längst nicht so entschlossen bekämpft wird, wie es die Geschichte von uns fordert. Wir verlangen, dass endlich politischer und gesellschaftlicher Druck ausgeübt wird um die Kneipe zu schließen. Wir wollen in Aachen keinen Treffpunkt für Neonazis und rechtsoffenen Hooligans sowie Fußballfans und insbesondere nicht neben der Synagoge!