Sozialchauvinismus – Das Bündnis von Boulevard und Bürger

12250141_455760357942104_2933596876215462788_nDie Thesen des ehemaligen Berliner Senators und Deutsche Bank-Manager Thilo Sarrazin wurden in der Regel auch von seinen Kritiker_innen auf die Hetze gegen Migrant_innen reduziert. Dabei geriet aus dem Blick, dass Sarrazin mit seinen Nützlichkeitsrassismus zum Lautsprecher derer wurde, die gegen alle hetzen, die angeblich dem Standort Deutschland schaden. Das können Hartz IV-Empfänger_innen genau so sein wie „Pleitegriechen“ oder Migrant_innen.

Der Journalist Peter Nowak wird sich mit der Ideologie des in allen Teilen der Gesellschaft anzutreffenden Sozialchauvinismus befassen und dabei auf eine vor einigen Jahren erneut aufgelegte Schrift des Hannoveraner Sozialpsychologen Peter Brückner zurückgreifen, die den Titel „Sozialpsychologie des Kapitalismus“ (http://www.antipsychiatrieverlag.de/versand/titel/brueckner.htm) trägt. Obwohl das Buch 1981 verfasst wurde und seinerseits auf viel Resonanz stößt, sind die dort vertretenen Thesen für eine Erklärung des Sozialchauvinismus erhellend.
Während Brückner in Protestbewegungen einen Schritt zur
Selbstermächtigung der in Unterdrückungs- und Ausbeutungsverhältnissen lebenden Menschen sah und deshalb große Hoffnungen in die durch die 68er-Bewegung ausgelöste Neue Linke setzte, müssen wir fast 40 Jahre später die weitgehende Verstaatlichung dieser Bewegungen konstatieren.
Viele einst emanzipatorische Impulse waren Türöffner für eine
weitgehende Individualisierung und Flexibilisierung der Arbeits- und Lebensverhältnisse, die heute Protestmöglichkeiten scheinbar erschweren.
Am Beispiel der Zahltag-Aktionen von Erwerbslosen, Protesten von Mietrebell_innen und Arbeitskämpfen auch in Kleinstbetrieben soll deutlich gemacht werden, dass es auch in diesen Bereichen Möglichkeiten zur Gegenwehr als ersten Schritt zur Selbstermächtigung sein können. Das sind im Sinne von Brückner die Voraussetzungen für einen Kampf gegen den Sozialchauvinismus. Für eine soziale Bewegung gegen die kapitalistischen Zumutungen stellt sich die Frage, ob nicht solche Prozesse der Selbstermächtigung langfristig sinnvoller sind als manche Großdemonstrationen und Massenvents.

Peter Nowak ist Herausgeber der Bücher „Zahltag- Zwang und Widerstand Erwerbslose unter Hartz IV
(http://www.unrast-verlag.de/gesamtprogramm/reihen/transparent/zahltag-314-detail),
Zwangsräumung verhindern
(http://www.edition-assemblage.de/zwangsraumungen-verhindern/) und
„Ein Streik steht, wenn mensch ihn selber macht“
(http://www.edition-assemblage.de/ein-streik-steht-wenn-mensch-ihn-selber-macht/).
Er schreibt als freier Journalist u.a. für die Jungle World, die
Konkret und das Onlinemagazin Telepolis. Seine Artikel finden sich auf dem Blog http://peter-nowak-journalist.de/

 

Ein Vortrag der Veranstaltungsreihe: Die Krise hat System – Eine antikapitalistische Veranstaltungsreihe (https://antikapaachen.wordpress.com/)

 

03.12.2015 // Beginn: 18:30 // Ort: KatHo Aachen // Eintritt: kostenfrei