Rainer Trampert analysiert eine neue Epoche. Warum stagniert der alte Kapitalismus, während die halbe Menschheit sich auf dem Weg der größten Industrialisierung aller Zeiten befindet? Warum ist Europa der Sanierungsfall des Weltkapitalismus, dem die große Kapitalver- nichtung noch bevorsteht? Imperialismus ist kein Privileg der USA und der europäischen Staaten mehr. Worauf steuern die Verschiebung der Produktion nach Asien, das Tauziehen um die Ukraine, die Stellvertreterkriege im Nahen Osten und in Afrika und andere geostrategische Brennpunkte zu? Anders als im 19. Jahrhundert driften Kapitalbewegung und Staatsidee heute auseinander. Das expansive Kapital sprengt die Fesseln der europäischen Nationen, aber das Bewusstsein klebt an der Nation oder fällt in die Kleinstaaterei mit eigener Münzprägung, in den Rechtspopulismus und Faschismus zurück. Europa schottet sich nicht nur nach außen gegen Flüchtlinge ab, sondern baut auch seine nationalen Grenzen wieder aus.
Trampert erklärt, warum Deutschland nicht erst durch den Euro zum Hegemon der EU aufgestiegen ist, dem auf der Höhe seiner Macht das Objekt derselben abhanden zu kommen droht. Er analysiert die deutsche Ideologie, etwa die Propaganda von der überlegenen europäischen Kultur gegenüber den USA, vom «gesunden nordischen Cha- rakter» versus der «griechischen Krankheit», ein Begriff, der Kulturen beseitigen soll, die dem Kapitalismus noch Leben abtrotzen. Er räumt mit der Mär vom «guten Nachkriegskeynesianismus» auf, kritisiert den Linkskeynesianismus und behandelt das Thema «Krise und Verschwörungsphantasien». Er untersucht, ob die Motorisierung der Welt und die grüne Revolution neue Impulse bringen und stellt die Systemfrage. «Das linke Europa gibt es genauso wenig wie das linke Vaterland.» Die Marktwirtschaft ist historisch überholt, aber wo ist das Bewusstsein für eine neue Gesellschaft? Abschließende Gedanken über Europa, die Verdinglichung des Menschen, die Linke und die „griechische Krankheit“ als Etappe der Befreiung.
In seinen Vorträgen nimmt Trampert zu aktuellen Konflikten Stellung: Griechenland, Flüchtlingsbewegung, Syrienpolitik etc.
Zur Person:
Rainer Trampert, geb. 1946 in Heuwisch (Schleswig-Holstein). Industriekaufmann, Studium der Wirtschaftswissenschaften, Betriebsrat in dem Mineralölkonzern Texaco und Mitglied im KB in Hamburg, von 1982 bis 1987 einer der drei Vorsitzenden der Grünen Partei. 1989 ausgetreten. Trampert wohnt heute in Hamburg, schreibt Bücher und publiziert regelmäßig in der Wochenzeitschrift Jungle World und der Monatszeitschrift Konkret. Seine Analysen über Themen der Zeit sind auch auf seiner Homepage www.rainertrampert.de nachzulesen.
Ein Vortrag der Veranstaltungsreihe: Die Krise hat System – Eine antikapitalistische Veranstaltungsreihe (https://antikapaachen.wordpress.com/)
13.01.2016 // 18:30 Uhr // KatHo Aachen, Raum 48 // Eintritt frei