Redebeitrag anlässlich der Demonstration „Solidarität statt Hetze“: Wider die regressive Lösung der Krise

Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag, welchen wir auf der Demonstration „Solidarität statt Hetze – Gegen Rechts und Verschwörungsideologien“ am 16.05.2020 in Aachen gehalten haben:

Seit mehreren Wochen treffen sich hier in Aachen verschiedenste Gruppen und Einzelpersonen um gegen sogenannte „Coronahysterie“ oder „Coronadiktatur“ zu demonstrieren. An Protest gegen Maßnahmen der Bundesregierung ist in erster Linie nichts auszusetzen, entbehrt es doch jeglicher Logik sich nicht mit mehr als 2 Freund*innen im Park treffen zu dürfen aber dicht gedrängt auf Baustellen oder in der Fabrikhalle zu arbeiten ist erlaubt. Das Problem an diesen Protesten liegt in dem Fakt, dass die meisten ihrer Teilnehmenden sich auf Verschwörungstheorien stützen und diese Verbreiten.
Diese verbreiteten Verschwörungstheorien sind so widersprüchlich wie austauschbar. Sie alle verbindet die einfache, personifizierte Erklärung abstrakter Zusammenhänge. Kosmopolitische, global agierende Mächte würden in den Hinterzimmern dieser Welt unseren Untergang planen und auf die eine oder andere Weise – aktuell – durch die Lancierung der Pandemie umsetzen. Diese Erklärungsmuster sind der verbindende Moment jeder Verschwörungstheorie und müssen, auch wenn häufig nicht konkret ausgesprochen, sondern durch Codes vermittelt, als das benannt werden was sie sind: Antisemitisch.
Tatsächliche Missstände, die durch die Pandemie unübersehbar werden, wie der katastrophale Zustand des Gesundheitssystems, die billigende Inkaufnahme tausender Toter zu Gunsten des kapitalistischen Normalzustands, der immense Anstieg patriarchaler Gewalt gegen Frauen und Kinder oder die mörderischen EU Außengrenzen finden in diesen Kreisen wenig bis keine Beachtung. Denn hier geht es eben nicht um eine umfassende Gesellschaftskritik. Es geht den einen um eine negative, regressive Aufhebung des Bestehenden, den anderen um eine Rückkehr zum kapitalistischen Normalvollzug.

Diese Ideologien entstehen nicht im luftleeren Raum, sie sind vielmehr zugespitzter Ausdruck des notwendig falschen Bewusstseins der im Kapitalismus agierenden. Hier wird allerdings nicht das Kapitalverhältnis an sich kritisiert, sondern lediglich bestimmte Phänomene desselben. So wird zwischen dem ’schaffenden‘ und ‚raffendem‘ Kapital unterteilt, das ‚raffende‘, in Form von Finanzsphäre, Banken und Börsen als das Böse fabuliert und stets als jüdisch assoziiert. Bleibt doch aber die Finanzwelt immer an ihren Kern gebunden, die Produktion von Waren. Krisen sind nicht „deren“ oder „unsere“ sondern immer die der Grundlegenden Verhältnisse in denen wir alle leben.

Im Gegensatz zu regressiven Lösungstendenzen, wie Verschwörungstheoretiker sie vertreten gibt es aktuell auch Begehren an die sich anknüpfen lässt und die einen Ausblick auf eine solidarische Überwindung der Krise erlauben.

Daher solidarisieren wir uns mit den Streikenden Arbeiter*innen z.B. in Brüssel. Dort kämpfen Straßenbahnfahrer*innen gegen die Wiederaufnahme des Normalbetriebs. Angestellte des ÖPNV sind auf der ganzen Welt dem Virus sehr direkt ausgeliefert und in New York starben bisher fast 100 Angestellte an Covid-19. Aber auch in Italien wehren sich die Beschäftigen von Fiat gegen die legalen Coronapartys in der Fabrik. Es zeigt sich einmal mehr, das der kapitalistische Normalvollzug im Zweifel über Leichen geht und zu dem Möchten Neoliberale und Konservative Politiker*innen eben zurückkehren.

Die Krise in der wir uns befinden birgt, wie jede andere, die Möglichkeit die Irrationalität der Verhältnisse zu begreifen und anzugreifen. Sie birgt die Möglichkeit ein Begehren zu wecken, das auf eine befreite Gesellschaft hinarbeitet und über das bestehende hinaus denkt.

So darf die Antwort auf die Absurdität der Verhältnisse nicht in einer zugespitzten Absurdität von Verschwörungstheorien bestehen. Die Überwindung des Kapitalverhältnisses muss das Ziel jeder emanzipatorischen Bewegung sein. Eine klare Absage gegen jedwede Querfront und ihre reaktionäre Lösungsvorstellungen ist dafür unabdingbar.

Wir wollen nicht zurück zum Normalvollzug, denn er war und ist Teil des Problems.
Schulter an Schulter gegen den Faschismus und für die befreite Gesellschaft!