Feministische Konferenz – Die Verhältnisse zum Tanzen bringen – Vom revolutionären Feminismus

Wir möchten euch herzlich zu unserer feministischen Konferenz am 20.10. und 21.10.2023 ins DGB-Haus Aachen einladen. Wir freuen uns sehr bei dieser folgende Referentinnen begrüßen zu dürfen: Koschka Linkerhand, Lisa Yashodhara Haller, Friederike Beier, Katharina Lux, Karina Korecky und Bettina Fellmann. Im folgenden findet ihr alle wichtigen Informationen zur Konferenz. Wir werden diese Seite mit den wichtigen Infos nach und nach vervollständigen. Guckt also immer mal wieder rein. Bei Fragen schreibt uns gerne eine Mail unter: diskursiv-aachen[at]riseup.net.

Ankündigungstext zur Konferenz:

Bereits im Vorfeld der ersten Frauenbewegung herrschte Uneinigkeit über das Vorgehen, um eine Gleichheit zwischen den Geschlechtern zu erwirken. Die Uneinigkeit zwischen verschiedenen Strömungen und Ansätzen bestehen bis heute in Debatten um Gleichheit und Differenz, Anerkennung und Umverteilung, Reform oder Revolution, sowie der Rolle des Staates. Die gesellschaftlichen Verhältnisse erscheinen dabei widersprüchlich: Frauen und queere Personen erreichen in bestimmten Teilen des gesellschaftlichen Lebens immer größere Erfolge und stärkere Anerkennung, gleichzeitig nimmt die Gewalt gegen sie zu. Genauer betrachtet wird klar, dass dieser scheinbare Widerspruch eine Konsequenz der kapitalistisch-patriarchalen Dynamik darstellt. Die Referentinnen werden in Vorträgen und Podiumsdiskussion der Frage nachgehen, wie sich die feministische Bewegung in diesen Spannungsverhältnissen ausrichten kann, um Gerechtigkeit zwischen den Geschlechtern und eine universelle Befreiung erreichbar zu machen.


TIMETABLE:

Wir freuen uns, euch den Ablauf der Konferenz zu präsentieren:

Freitag:

18:00 : Eröffnung

18:30 : Einleitende Worte

19:00 : KOSCHKA LINKERHAND – Was hat Feminismus mit Revolution zu tun?

21:00 : Kneipe im AZ Aachen

Samstag:

10:00 : Eröffnung – Infos für den Tag

11:00 : BETTINA FELLMANN – Sagen was ist – Kritische Theorie und radikaler Feminismus

12:00 : Diskussion

13:00 : KATHARINA LUX – Kritik und Konflikt – Debatten um Erfahrung in der autonomen Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre im Spiegel der Zeitschrift Die Schwarze Botin

14:00 : Diskussion

15:00 : KARINA KORECKY – Der Poststrukturalistische Feminismus und das brüchige Subjekt – Kritik und Verteidigung der Theorie Judith Butlers

16:00 : Diskussion

17:00 : LISA YASHODHARA HALLER und FRIEDERIKE BEIER – Staat, Kapital und Geschlecht: Grundlagen der materialistischen und queerfeministischen Staatstheorie

18:00 : Diskussion

19:00 : Podiumsdiskussion

21:00 : Kneipe im AZ Aachen mit DJanes


Referentinnen und Vorträge im Detail:

Hier lest ihr kurze Beschreibungen der Refrentinnen und die Ankündigunstexte zu den Vorträgen der Konferenz.

 

Koschka Linkerhand

Was hat Feminismus mit Revolution zu tun?

Die Geschlechterverhältnisse sind fester Bestandteil des kapitalistischen Patriarchats, in dem wir leben. Die Lebensbedingungen von Männern, Frauen und allen, die dazwischen sind, sind eng verknüpft mit ihrer jeweiligen Stellung in der kapitalistischen Produktionsweise und der dafür notwendigen Reproduktion des Lebens und der Arbeitskraft. Dennoch klaffen die gelebten Realitäten von Frauen und Queers, global betrachtet, weit auseinander, und ebenso die Formen und Vorstellungen von feministischen Kämpfen. Zumindest wenn man im deutschsprachigen Feminismus um sich schaut, scheint eine gemeinsame große Anstrengung, die dem kapitalistischen Patriarchat gefährlich werden könnte, in weiter Ferne zu liegen. Wie lassen sich feministische Kämpfe – etwa um das Recht auf Abtreibung, gegen Bildungsbenachteiligung und für eine geschlechtergerechte Sprache – mit revolutionären Erwägungen verknüpfen?

Bettina Fellmann

Bettina Fellmann arbeitet seit 1998 als Krankenschwester. Sie beschäftigt sich seit langem mit kritischer Theorie und schreibt vor allem Politisches und Philosophisches. Texte von ihr erschienen in „Ästhetik & Kommunikation“, der Essay „Zur Verteidigung der Traurigkeit“ wurde im Okt. 2021 im MaroVerlag veröffentlicht.

 

Sagen, was ist – feministisch, radikal, solidarisch

Feminismus erscheint in einem gesellschaftlichen Zusammenhang, in dem Frauen bedingt eine Rolle spielen: Wie auch immer politische Herrschaft gefärbt ist, ihr Hauptzweck ist der Schutz einer globalisierten Produktions- und Wirtschaftsweise, die zahlreiche widerstreitende Interessen erzeugt. In den westlich geprägten Industrienationen sorgen Staat und Justiz mit Gewalt und Repression für die Aufrechterhaltung einer ‚freiheitlich-demokratischen Grundordnung‘, Bildung und Erziehung für die Verinnerlichung rechtsstaatlicher Prinzipien und zeitgemäßer Ansichts-, Umgangs- und Verhaltensformen.

Die dabei verwendeten Mittel prägen die individuelle Wahrnehmung, auch in Bezug auf die geschlechtliche Erscheinung der Menschen. Bewusstsein wird zur wirkmächtigen inneren Instanz geformt, die von der Erfahrung des Daseins abhält und den Menschen eine umfassende Erkenntnis gesellschaftlicher Mechanismen und Zusammenhänge verwehrt. Dagegen gilt es, gemeinschaftlich zu rebellieren. Doch wie kann eine Rebellion aussehen, die sich nicht in der Bekämpfung von Symptomen erschöpft?

Wer dagegen aufbegehrt, dass jede persönliche und politische Tätigkeit auf die variantenreiche und ermüdende Wiederholung derselben alten Scheiße hinausläuft, muss den Dingen auf den Grund gehen. Dazu braucht es keine Selbstermächtigung, sondern radikale Selbstkritik; keine Definitionsmacht, sondern die Fähigkeit, im fortwährenden falschen Ganzen das Besondere, auf das es ankommt, in seiner jeweiligen Eigenheit erkennen und beurteilen zu können; keine identitäre Selbstpositionierung, sondern aufrichtiges Bemühen, den Blick nach außen zu schärfen, raus aus dem Kopf und rein in die Welt, mit allem, was dazugehört.

In dem Maß, in dem sinnliche Erfahrung und kritische Theorie eigene Prägungen in Frage stellt, Überzeugungen angreift, Unbehagen, Angst und Unsicherheit erzeugt, wird sie abgewehrt. Radikal sein kostet Überwindung, immer wieder.

Wenn Feministinnen der unterschiedlichen Strömungen nicht lernen, sich gegen ihre tatsächlichen Feinde zu verbünden und gemeinsam zu handeln, wird die sogenannte Dritte Welle des Feminismus nach und nach ins kapitalistische Alltagsgeschehen integriert werden – oder in zahlreichen Rinnsalen versickern, wie die vorangegangenen Wellen auch.

Katharina Lux

Katharina Lux arbeitet in der translib Leipzig mit und war Redakteurin der Zeitschrift outside the box. Zeitschrift für feministische Gesellschaftskritik. Sie ist wissenschaftliche Mitarbeiterin an der HU Berlin.

Kritik und Konflikt – Debatten um Erfahrung in der autonomen Frauenbewegung der 1970er und 1980er Jahre im Spiegel der Zeitschrift Die Schwarze Botin

Das feministische Denken der autonomen Frauenbewegung der 1970er Jahre entsteht durch Dissens und Konflikt. Es stellt keinen homogenen Block dar. Das zeigt sich an der Zeitschrift Die Schwarze Botin (1976–1986/87), die „aus der Frauenbewegung die Kritik der Frauenbewegung“ leistete – in durchaus polemischer Weise. In der Kritik standen unter anderem die Selbsterfahrungsgruppen. Der Vortrag geht der Auseinandersetzung in der autonomen Frauenbewegung um den Stellenwert von Erfahrung für feministisches Denken und Theoriebildung nach. Dabei lassen sich drei Positionen zeigen: Die erste Position entwickelt eine Selbsterfahrungskonzeption, die ausgehend von der Erfahrung der Einzelnen zu feministischem Bewusstsein und kollektiver Theoriebildung kommt. Die zweite Position entdeckt die Gemeinsamkeit der Frauen darin, dass sie die gleichen persönlichen Erfahrungen gemacht zu haben scheinen. Die dritte Position, die von der Schwarzen Botin vertreten wird, hält es nicht für zielführend von unmittelbaren, persönlichen Erfahrungen und der Selbsterfahrungspraxis auszugehen. Sie will bei vermittelten, gesellschaftlichen Erfahrungen, wie sie sich in Wissenschaft, Kunst, Literatur, Philosophie niederschlagen, ansetzen und sie feministisch kritisieren. Insofern der Bezug zu Erfahrung in feministischen Debatten auch heute relevant ist, sind die Auseinandersetzungen von damals noch immer aktuell.

Karina Korecky

Karina Korecky hält gelegentlich Vorträge und publiziert zu verschiedenen Aspekten feministischer Kritik.

Der poststrukturalistische Feminismus und das brüchige Subjekt – Kritik und Verteidigung der Theorie Judith Butlers

Judith Butlers Gender Trouble (1990) ist das wichtigste feministische Werk der Gegenwart. Es wird sowohl hochgelobt als auch rundweg abgelehnt. Den einen gilt es als theoretischer Ausgangspunkt des eigenen, queeren Feminismus, die anderen werfen Butler vor, Urheberin aller Zweifel an der Kategorie „Frau“ zu sein und damit die Universalität der Frauenbewegung zerstört zu haben.

Der Vortrag wirft einen kritischen Blick auf Butlers poststrukturalistischen Feminismus. Dabei geht es aber nicht darum, richtige oder falsche theoretische Bezüge zu identifizieren oder Butler als Schuldige am Niedergang des feministischen Subjekts auszumachen. Gefragt wird vielmehr nach dem Erfahrungsgehalt von Butlers Theorie bzw. danach, welchem Bedürfnis sie entspricht: Warum ist der Feminismus auf die Dekonstruktion gekommen? Es wird herausgearbeitet, worin die Attraktivität des poststrukturalistischen Denkens für den Feminismus liegt und wo es sich mit feministischer Gesellschaftskritik trifft. Verteidigt wird dabei der poststrukturalistische Angriff auf Wahrheit, Natur, Subjekt, Geschichte und Einheit. Kritisiert wird sein Verzicht auf die Konstatierung von gesellschaftlicher Unwahrheit.

 

 

Lisa Yashodhara Haller 

Lisa Yashodhara Haller ist Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am IfS Institut für Sozialforschung der Goethe-Universität Frankfurt a.M. Sie forscht und lehrt zu den Themen materialistischer Feminismus und seine Schnittstellen zum Konstruktivismus, zu Sozial- und Familienpolitik im Ländervergleich und Reproduktiver Gerechtigkeit im Gegenwartskapitalismus sowie zu Paar- und Geschlechterforschung. Gast- und Forschungsaufenthalte führten sie nach Guatemala, Israel und in die USA.

Friederike Beier

Friederike Beier ist Politologin und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Arbeitsschwerpunkt für Gender and Diversity am Otto-Suhr-Institut für Politikwissenschaft der Freien Universität Berlin. Sie lehrt und forscht zu den Themen materialistischer Queer-Feminismus, feministische Staatstheorie, Zeitpolitik und Zeitgerechtigkeit sowie queer-feministische und dekoloniale Theorien. Ihre Dissertation hat sie zum Thema ‚Divide and Govern. The Global Quantification and Governing of Re_productive Labor and Time’ geschrieben und darin am Beispiel der Quantifizierung von Arbeit und Zeit untersucht inwiefern globale Statistiken vergeschlechtlichte Ungleichheit herstellen und reproduzieren.

Staat, Kapital und Geschlecht: Grundlagen der materialistischen und queerfeministischen Staatstheorie

Queer-feministische Perspektiven auf den Staat beschäftigen sich mit der Frage, wie der Staat Geschlecht und Heteronormativität konstruiert und wie Geschlechterverhältnisse in den Staat eingeschrieben sind. Materialistische staatstheoretische Ansätze beschäftigen sich vorrangig mit dem Verhältnis zwischen Kapitalismus und dem Staat, der Frage was den Staat ausmacht und auf welche Weise der Staat Macht und Herrschaft ausübt. Eine materialistisch queer-feministische Staatskritik bringt beide Ansätze zusammen. Sie versteht im Anschluss an materialistische Staatstheorien den Staat nicht als reines Anhängsel des Kapitals, sondern als soziales Verhältnis. Daran anschließend theoretisiert sie die materiellen Grundlagen von Geschlechterverhältnissen und Heteronormativität im Staat. Der Vortrag führt in die Grundlagen einer materialistisch queer-feministischen Staatstheorie ein und zeigt am Beispiel der Arbeitsteilung zwischen bezahlter Lohnarbeit und unbezahlter Haus- und Sorgearbeit, wie der Staat die (Re)Produktionsverhältnisse aufrechterhält und dabei Geschlecht binär und hierarchisch hergestellt wird.