Für das Recht auf Faulheit – Von der Befreiung der Menschen nicht der Arbeit

Ein hoch auf die Arbeit!

Am 1. Mai, dem Tag der Arbeit, wird wieder der Ruf nach „Arbeit für alle!“ ertönen und auch innerhalb der Linken, zumindest der gewerkschaftlichen, scheint der größte Skandal nicht das Ausbeutungsverhältnis im Kapitalismus, sondern, dass der Kapitalismus nicht für jeden einen Arbeitsplatz bereithält. Arbeitsplätze sollen demokratisiert werden und die Lohnarbeit eine Erfüllung bringen. Zur gleichen Zeit verklären sich auf Lenin, Bebel und ähnliche orthodox marxistischen Denker beziehende Linke anstrengende (körperliche) Arbeiten und die sie ausführenden Arbeiter*innen zu ihrem revolutionären Subjekt. Dabei sind sie dafür blind, wie Subjekte innerhalb dieser Verhältnisse zugerichtet werden, und dass ihre Verklärung wenig Revolutionäres oder gar Befreiendes hat. Alle sollen wir arbeiten, denn schon Luther und die Bibel wussten, dass wer nicht arbeitet auch gefälligst nicht Essen soll. Auf der Grundlage einer solchen christlichen Idee sollen die Arbeiter*innen gefälligst nicht murren, während Friedrich Merz zusammen mit der SPD dem acht Stunden Tag zu Leibe rücken will. Schließlich können doch auch an dieser Stelle für Arbeitnehmer*innen und -geber*innen Potenzial liegen.

Von Schlechten Mächten wunderbar geborgen? Oder von gemachten Verhältnissen umgeben?

Bei all diesen Debatten erscheint die Lohnarbeit im Kapitalismus als etwas Natürliches, Unausweichliches und weniger als etwas von Menschen-Gemachtes und somit als etwas Gewordenes. Vergessen ist die Geschichte des Kapitalismus und die ursprüngliche Akkumulation, die (Lohn-)Arbeit, wie wir sie heute kennen, und die Gewalt, die zu ihrer Etablierung notwendig war, hervorbrachte. Diese ursprüngliche Gewalt führte zum „doppelt freien Arbeiter“, er ist einerseits frei von Produktionsmittel, hat also nur seine Arbeitskraft anzubieten, und frei mit jedem ein Arbeitsvertrag einzugehen, um seine Arbeitskraft für seinen Lebensunterhalt zu veräußern.

Der Arbeitsvertrag wird auch in Zeiten zunehmender Arbeitslosigkeit und Prekarisierung nicht in Frage gestellt, sondern das Unterschreiben von jenem erscheint als fast religiöser Akt. Gott sei Dank, man gehört zum produktiven Teil der Gesellschaft. Adorno weist darauf hin, dass der Arbeitsvertrag wie ein Segen wirkt. Dieser ist nicht wie im religiösen Sinne ideell, sondern materiell. Die Auszahlung des Lohns zum Beginnen eines jeden Monats, die mit dem unterschriebenen Arbeitsvertrag einhergeht, ermöglicht den Konsum, mit welchem sich die Menschen selbst erhalten müssen.

Zur gleichen Zeit bildet jener die Grundlage eine Vergleichbarkeit der Menschen untereinander. Diese abstrakte Gleichheit schafft eine konkrete Ungleichheit, denn nicht alle Tätigkeiten werden in der Gesellschaft gleich entlohnt. So erscheint die Tätigkeit eines Managers wichtiger als die einer Reinigungskraft. Unter diesem Prinzip der Gleichheit entwickeln Menschen das, was Adorno mit Lukács ein „notwendig falsches Bewusstsein“ nennt. Es ist falsch, weil es eine falsche Deutung der Realität darstellt, und notwendig, weil es der falschen gesellschaftlichen Realität entspricht, innerhalb ihr Sinn ergibt und Menschen dieses Bewusstsein entwickeln müssen, um im Bestehenden überleben zu können. 

Die Grundlage des „notwendig falschen Bewusstseins“ ist eine Erfahrung von Entfremdung, die alle Menschen in unserer Gesellschaft machen. Diese Erfahrung hat vier Dimensionen. Arbeiter*innen stellen Güter her, die ihnen nicht gehören und ihnen äußerlich sind. Sie sind entfremdet von dem Produkt ihrer Arbeit. Das von ihnen Produzierte dient nicht der Befriedigung der eigenen Bedürfnisse, sondern der Mehrwertproduktion ihres Arbeitgebers. Sie sind von ihrer Tätigkeit innerhalb der Arbeit entfremdet. Arbeit als entfremdete Tätigkeit verändert das Bewusstsein und die Bedürfnisstruktur der einzelnen Individuen. Im Kapitalismus arbeiten Menschen, um in ihrer Freizeit zu konsumieren und sich so zu erhalten. Der Mensch entfremdet sich von sich als Menschen. Diese drei Entfremdungserfahrungen führen dazu, dass die Menschen sich selbst, ihre Umwelt und ihre Mitmenschen als Waren[1] , also als käuflich, und Elemente des Kapitalismus wahrnehmen. Das Kapitalverhältnis wird als ein natürliches wahrgenommen. Es erscheint ihnen als ein Verhältnis von Dingen und nicht wie das von Menschen. Die Arbeiter*innen entfremden sich von einander.

Die Art und Weise wie Menschen sich zu einander in Verhältnis setzen, hat Auswirkungen darauf, wie wir leben, lieben, streiten und kämpfen. Am Beispiel von feministischen Kämpfen lässt sich diese Misere, in der wir stecken, gut verdeutlichen. Wenn heute von der Befreiung der Frau gesprochen wird, so ist damit nicht die Emanzipation der Frau aus den Verhältnissen heraus gemeint. Vielmehr versteht man darunter eine Gleichstellung zwischen Männer und Frauen in den Verhältnissen, was lediglich bedeutet, dass beide in erster Linie Arbeitskraftbehältnisse sind. Frauen wie Männer sollen gleich im Produktionsprozess ausgebeutet werden. Dazu müssen Frauen zumindest teilweise von den Zwängen der Küche und des Kindes befreit und den Zwängen der Lohnarbeit zugeführt werden. Dementsprechend fokussieren sich Forderungen, die einer solchen feministischen Idee entsprungen sind, auf die Schaffung von möglichst langen außerhäuslichen Betreuungsmöglichkeiten von Kindern und der Förderung von sogenannten familienfreundlichen Unternehmen. Schließlich braucht der Kapitalismus auch neue Arbeitskräfte, die geboren und erzogen werden wollen. Die Vereinbarung von Familie und Beruf stellt zur gleichen Zeit für viele Frauen bei immer niedrigeren Reallöhnen und zunehmenden Lebensunterhaltskosten eine Notwendigkeit dar.

Weg mit der Arbeit!

So ist der Ruf nach Arbeit, um seinen Lebensunterhalt bestreiten zu können, verständlich. Er ist eine moralische Empörung über die Verhältnisse, die Menschen in einem Mangel leben lassen, aber er stellt bei weitem noch keine Kritik an eben diesen Verhältnissen dar. Wenn eben diese Verhältnisse aufgehoben werden sollen, „in denen der Mensch ein erniedrigtes, ein geknechtetes, ein verlassenes, ein verächtliches Wesen ist“, muss der Mensch auch von der Lohnarbeit befreit werden. Das Ziel des Menschen ist nicht die Arbeit, sondern die Muße, wie Oscar Wild es bereits formulierte. Denn nur in der Muße kann der Mensch, frei von allen Zwängen, anfangen über sich und sein Geworden-Sein in der Welt nachzudenken und die Grundlage für eine bessere Gesellschaft zu schaffen. 


Wohnraum ist eine Ware!

Dieser Artikel erschien in gekürzter Version in der ersten Ausgabe der Zeitung ‚Tacheles‘ aus Aachen.

Wirklichkeit und Wahrnehmung klaffen zuweilen weit auseinander, wenn es um die Frage danach geht, wem die Stadt denn nun gehöre. Das „Wir brauchen keine Hausbesitzer, denn die Häuser gehören uns“ der Scherben erinnert daran ebenso, wie die auf Mietendemos vorgebrachte Behauptung: „Wohnraum ist keine Ware!“. Während bei den Scherben die Existenz der Hausbesitzer zwar anerkannt wurde, man jedoch die Notwendigkeit ihrer gesellschaftlichen Funktion infragestellte, wird im zweiten Fall unter offensichtlicher Verdrängung der monatlich fälligen Mietzahlung so getan, als wäre Wohnraum ein außergesellschaftliches Ding. Außergesellschaftlich deshalb, weil es so klingt, als hätte eine Wohnung qua Natur eine höhere Bestimmung, als der Vermehrung des schnöden Mammons zu dienen. Dieser Zweck, die Generierung von Profit, ist jedoch der Zweck der Warenproduktion, welche kapitalistisch organisiert zwar auch „Schweinesystem“, vor allem aber eines ist, nämlich ein warenproduzierendes System. Weiterlesen

Redebeitrag anlässlich der Demonstration „Solidarität statt Hetze“: Wider die regressive Lösung der Krise

Wir dokumentieren hier unseren Redebeitrag, welchen wir auf der Demonstration „Solidarität statt Hetze – Gegen Rechts und Verschwörungsideologien“ am 16.05.2020 in Aachen gehalten haben:

Seit mehreren Wochen treffen sich hier in Aachen verschiedenste Gruppen und Einzelpersonen um gegen sogenannte „Coronahysterie“ oder „Coronadiktatur“ zu demonstrieren. An Protest gegen Maßnahmen der Bundesregierung ist in erster Linie nichts auszusetzen, entbehrt es doch jeglicher Logik sich nicht mit mehr als 2 Freund*innen im Park treffen zu dürfen aber dicht gedrängt auf Baustellen oder in der Fabrikhalle zu arbeiten ist erlaubt. Das Problem an diesen Protesten liegt in dem Fakt, dass die meisten ihrer Teilnehmenden sich auf Verschwörungstheorien stützen und diese Verbreiten. Weiterlesen

Antifa-Camp: Sommer Sonne Antifa 2020 abgesagt!

Leider müssen wir euch mitteilen, dass wir uns dazu entschieden haben, das diesjährige Festival abzusagen.
Wir wissen zwar nicht, ob uns ein mögliches Verbot von Großveranstaltungen betreffen würde, aber wir wollen weder Eure Gesundheit, noch die unserer Referent*innen oder unsere eigene leichtfertig riskieren. Wir sind uns ebenso bewusst, dass wir bei der Veranstaltung des Festivals Menschen faktisch ausschließen würden, die Risikofaktoren für einen schweren Verlauf von Covid-19 haben.
Wir wollten alle diese Entscheidungen nicht treffen. Es ist schon eine Menge Arbeit in die Vorbereitung geflossen und wir machen das auch Jahr für Jahr, weil wir selbst Bock auf so ein Festival haben. Daher ist es uns wichtig euch mitzuteilen, dass wir jetzt direkt mit den Planungen für das Sommer Sonne Antifa 2021 weitermachen!

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Sorgenfreies zu Hause: Zum Verhältnis von Care und Kapitalismus

Wir laden euch herzlich zu unserer Schwarz-Roten Kneipe im Februar ein. Thematisch findet ein Vortrag zum Thema Care und Kapitalismus statt:

Arbeit wird nach wie vor mit Lohnarbeit verknüpft. Dabei fällt ein großer Teil der täglich von Frauen geleisteten Sorgearbeit hinten über und wird gesellschaftlich nicht wahrgenommen, da diese nicht entlohnt wird. Es findet eine Trennung zwischen Lohnarbeit und Reproduktionsarbeit statt. Lohnarbeit wird in der Öffentlichkeit verrichtet und männlich konnotiert. Wohingegen Carearbeit, welche meist von Frauen erledigt wird, ins private verdrängt wird. In einer Gesellschaft, die den Wert von Arbeit über Lohn bemisst, wirkt unentlohnte Arbeit zunächst wertlos und wird abgewertet und mit ihr die Frauen, die sie verrichten. Weiterlesen

If I can’t dance, it’s not my revolution!

DISKURSIV AACHEN PRESENTS: IF I CAN’T DANCE, IT’S NOT MY REVOLUTION!

Diskursiv Aachen lädt auch im Februar wieder zum Tanz im Autonomen Zentrum. Diesmal werden elektronische Klänge im AZ erklingen. Wer also gute elektronische Musik, nette Menschen und günstige Drinks und zu dem unsere politische Arbeit unterstützen mag, ist bei uns genau richtig.
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Schwarz-Rote Kneipe: Islamismus als Leerstelle des Antirassismus

Islamismus als Leerstelle des Antirassismus
Den gängigen liberalen Antirassismus stellt der Islamismus vor inhaltliche Herausforderungen, was dazu führt, dass er entweder ganz aus der Analyse herausfällt oder herunter gespielt wird. Der Vortrag möchte sich dem Komplex Islamismus von verschiedenen Seiten nähern, um dann anhand ausgewählter Antirassismustheorien zeigen, warum diese blinden Flecken im Bezug auf das Thema entstehen und welche weitreichende Konsequenzen diese in der politischen Praxis linker und liberaler AntiRa-Gruppen haben können.

Neben vielen Informationen und einer hoffentlich spannenden Diskussion, wird es außerdem leckeres veganes Essen gegen Spende, Kaltgetränke für günstiges, sowie Kicker für lau geben.

Am Mittwoch, den 15.1.2020 um 18:30 im AZ Aachen, Hackländerstraße 5.

Schwarz-Rote Kneipe

Hallo ihr Lieben,

Da wir unsere Kapazitäten bei unserem Jahresabschlussabend, letzten Samstag gebraucht haben, haben wir diesmal keinen Vortrag in Petto.

Ab 18.30 wird das Autonomes Zentrum Aachen wie gewohnt offen sein!

Um trotzdem einen guten Vortrag zu hören, laden wir euch ein um 17 Uhr zur KatHo (Robert-Schuman-Straße 25) zu kommen, zum Vortrag:
„(Aachener) Aspekte des neuen Rechtsextremismus“ von Richard Gebhardt.

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Diskursiv-Jahreabschluss Vol. V

Wieder ein Jahr (fast) vorbei und unser Jahresabschluss geht in die fünfte Runde. Nach den schönen gemeinsamen Abenden in den vergangenen Jahren mit Euch laden wir Euch auch dieses Jahr wieder ganz herzlich ein!

Neben tollen Acts erwarten euch Glühwein, lecker veganes Essen und die ein oder andere Überraschung.

Wann: 14.12.2018 | Wo: AZ Aachen Weiterlesen

Mobivortrag: „Kein ruhiges Remagen! Auf die Straße gegen rechten Terror!“

Gemeinsam mit der Anarchist Kitchen veranstalten wir am 14.11.2019 im Autonomen Zentrum Aachen einen Info- & Mobivortrag des „NS-Verherrlichung stoppen!“-Bündnis bezüglich der antifaschistischen Proteste gegen den jährlichen Neonaziaufmarsch in Remagen, welcher leider auch dieses Jahr wieder am 16.11.  stattfinden soll. Weiterlesen